0569 - Teufel im Leib
Falte, da wuchs kein Pickel, nichts verunstaltete diese fast schon ungewöhnliche Glätte.
Niemand aus der Einheit wußte, wie diese Reva aussah. Bisher war sie wie ein Phantom gewesen. Ihr Name geisterte durch die Szene. Sie wurde als grauenhaft und gefährlich eingestuft, als gefühllos und brutal. Es existierte kein Foto, keine Zeichnung, und deshalb war Bode auch mißtrauisch, obwohl er keine Waffe an ihr entdeckte.
Er fragte sich allerdings, was sie hier zu suchen hatte. Ohne Grund hielt sich eine Frau wie sie nicht in diesem dichten Waldstück auf.
Das letzte Laub vom vergangenen Herbst raschelte sanft, als die Unbekannte in die Mulde hineinschritt, umschmeichelt vom Nebel, der seine Tücher ausgebreitet hatte.
»Immer noch ängstlich?« fragte sie. Ihre Stimme hatte den hohlen Klang nicht verloren.
»Ich gehe auf Nummer Sicher.«
Sie lachte leise. »Wollen Sie mich erschießen?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Dann nehmen Sie das Ding da weg.«
»Nein!«
»Okay, wie Sie wollen.« Sie schaute sich um. Der Blick ihrer sehr dunklen, faszinierenden Kohleaugen blieb dort haften, wo Bode die Erde fortgeräumt hatte und das schwarze Oberteil der Kiste sichtbar geworden war. »Sie haben gegraben, wie ich sehe.«
»Sicher.«
»Was suchten Sie? Einen Schatz?« Sie drehte sich um und blickte ihn amüsiert an.
»Vielleicht. Nun möchte ich Sie fragen, was Sie hier zu suchen haben, Frau…«
Ihren Namen sagte sie nicht. Die Antwort klang etwas verschwommen. »Ich gehe gern durch die Wälder. Sie gefallen mir. Sie sind wunderbar. Ich liebe auch dieses Wetter. Nebel in den Tälern, Sonne auf den Höhen.«
»Es ist noch keine Antwort.«
»Für mich ja.«
»Wie heißen Sie?«
Die Frau kam noch näher und breitete die Arme aus. Sie besaß sehr schlanke Finger. »Welchen Namen wollen Sie hören? Clarissa, Dunja, Constanza? Welcher würde zu mir passen?«
»Ich hätte schon einen.«
»Dann sagen Sie ihn!«
»Reva!«
»Oh.« Sie hob die fein gewachsenen Augenbrauen, die einen besonderen Schwung besaßen. »Der Name gefällt mir sogar. Mein Kompliment. Er ist nicht schlecht.«
»Habe ich recht?«
»Mit Reva?« Sie überlegte und drückte dabei die Spitze ihres Zeigefingers gegen die roten, vollen Lippen. Bode sah, daß sie die Nägel schwarzgrau lackiert hatte. »Es kann sein, daß Sie recht haben. Wissen Sie, Namen sind wie Schall und Rauch.«
»Da gebe ich Ihnen recht.« Er zielte wieder mit der Waffe auf sie.
»Ach – tatsächlich?«
»Ja. Ich möchte wissen, ob Sie die Anführerin einer Bande sind.«
»Ist die Frage nicht etwas naiv? Wäre ich dies, so würde ich es nicht zugeben und mich vor allen Dingen nicht so offen zeigen.«
»Das kann damit zusammenhängen, daß es mir gelungen ist, Ihr Waffenversteck zu finden.«
»Sie meinen die schwarze Kiste?«
»Natürlich.«
Die Frau winkte ab. »Keine Sorge, das ist keine Kiste für Waffen. Da kann ich Sie beruhigen. Diese Kiste ist etwas völlig anderes. Sie müßten es schon an der Farbe erkennen können. Was Sie da gefunden haben, ist ein übergroßer Sarg.«
Gerd Bode wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er kam sich plötzlich verarscht vor. Wut funkelte in seinen Augen. »Was erzählen Sie mir da für einen Quatsch? Das soll ein Sarg sein?«
»Es stimmt.«
»Und weshalb steckt er hier in der Erde?«
»Er gehört mir.«
»Ach so.« Bode grinste schief. »Jetzt sind Sie wohl gekommen, um ihn zu holen.«
»Das stimmt genau.«
»Darf ich fragen, was sich darin befindet?«
Die Frau nickte. »Es ist kein Geheimnis. Der Sarg ist leer. Noch ist er leer, aber er bietet Platz für mehrere Leichen, mein Freund.«
Allmählich stand Bode kurz vor dem Durchdrehen. Was diese Person mit ihm anstellte, ging auf keine Kuhhaut.
Die nahm ihn nicht einmal ernst, trotz der Waffe. Das ärgerte ihn.
Ihre Sicherheit grenzte schon an Arroganz. »Können Sie mir sagen, wer in diesen Sarg hineingelegt werden soll?«
»Ja.« Sie war in Griffweite stehengeblieben. »Sie könnte ich mir darin vorstellen.«
Bode mußte sich räuspern. Er war einfach nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Was die Unbekannte ihm da unter die Weste schob, war verdammt harter Tobak.
»Okay, Fräulein oder Frau Unbekannt. Wir werden uns woanders noch etwas länger unterhalten.« Er zog mit der freien Hand sein Sprechgerät aus der Tasche und wollte es einschalten, als er die huschende Handbewegung sah. Normalerweise wäre eine Person zu dieser Aktion nicht gekommen.
Weitere Kostenlose Bücher