0569 - Teufel im Leib
trägt?«
»Nein, Sie selbst.«
»Irgendwo hast du recht. Ich habe zu hoch gespielt und verloren. Ich wollte ihm den Weg ebnen, ich habe es nicht geschafft. Aber Dracula wird kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Ich gehe jede Wette mit dir ein.« Sie hustete. »Noch einmal, Sinclair. Hüte dich vor Dracula. Hüte dich vor ihm. Er ist bereits ausgesucht worden. Ein großer Plan beginnt, Gestalt anzunehmen, und die Überraschungen werden für manche Personen tödlich sein.«
»Kannst du nicht näher darauf eingehen?«
»Ich… ich …« Plötzlich ruckte ihr Kopf in die Höhe. Ich vernahm ein leises Knirschen, als würden Kohlepapierblätter aneinanderreiben. Noch einmal schaute ich ihr in die Augen und sah sie als zwei leblose, starre, tote Kugeln.
Da war nichts mehr zu machen, Gunhilla von Draben lebte nicht mehr. Ein langgezogener Piepton und eine helle Linie auf dem Monitor zeigten auch technisch an, daß die Frau nicht mehr am Leben war. Mein geweihtes Silber hatte letztendlich doch gewirkt.
Dr. Cramer stand hilflos daneben. Er starrte zu Boden, völlig geschafft. Für ihn mußte eine Welt zusammengebrochen sein. Er hatte eine Patientin sterben sehen, ohne eingreifen zu können. So etwas belastete einen Arzt.
»Und Sie wollen mir noch immer keine Erklärung geben, Mr. Sinclair?«
»Nein.«
»Was soll ich denn tun?«
Ich schaute auf den Kopf der Frau, dessen Haut immer mehr mumifizierte. Man konnte wirklich dabei zuschauen. »Was Sie tun sollen? Uns den Weg freihalten. Das ist eine Sache, die Scotland Yard etwas angeht, wenn Sie verstehen.«
»Geheimfall?«
»So ähnlich. Wir werden auch für den Abtransport der Toten sorgen. Sie haben damit nichts zu tun. Ich möchte Sie nur bitten, bei Ihnen telefonieren zu können.«
»Selbstverständlich, kommen Sie mit.« Dr. Cramer schloß die Tür ab, nachdem wir das Krankenzimmer verlassen hatten.
Ich holte tief Luft. Auch mir war das Sterben der Gunhilla von Draben an die Nerven gegangen. So etwas steckte man nicht so einfach weg, wenn man Mensch geblieben ist. Noch als ich mit der Dienststelle telefonierte, spürte ich die Gänsehaut auf meinem Rücken.
Dr. Cramer brachte frischen Kaffee. »Ich glaube, der wird uns jetzt beiden guttun.«
»Das meine ich auch.« Wir tranken den Kaffee und hingen beide unseren Gedanken nach. Dr. Cramer versuchte noch mehrmals, Gründe für die Veränderung der Frau bei mir herauszufinden, doch ich schwieg.
Wenig später erschienen die Kollegen. Sie wurden durch einen Hintereingang ins Haus und in die entsprechende Etage gebracht.
Von mir waren sie einiges gewohnt, doch als sie diese Leiche abholten, wurden selbst die Männer in den blauen Kitteln blaß.
»Ist sie verbrannt?« fragte einer.
»So ähnlich.«
Ich war auch ihnen gegenüber schweigsam. Als sie gingen, verließ ich das Krankenhaus ebenfalls. Dr. Cramer kam noch mit bis in die Halle, wo er sich von mir verabschiedete.
»Ich hoffe, daß Sie den Fall aufklären werden, Mr. Sinclair.«
»Danke, Doktor. Ich drücke mir ebenfalls die Daumen, denn da kann etwas auf uns zukommen, das fürchterlich werden wird.« Ich drehte mich um und ging.
Mit der U-Bahn fuhr ich wieder zurück ins Büro, wo Suko schon auf mich wartete.
»Du hättest ja auch anrufen können«, beschwerte er sich bei meinem Eintritt.
Ich hämmerte die Tür zu. Meinem Gesicht sah er an, daß ich keinen Erfolg gehabt hatte.
»Sie ist also tot?«
»Ja.«
»Hat sie noch etwas sagen können?«
Ich setzte mich, zog die Schreibtischlade auf und holte eine Flasche Scotch hervor. Einen Doppelten schenkte ich mir ein und rauchte auch eine Zigarette.
»Red schon, John!«
Ich begann flüsternd. Einige Male wiederholte ich auch Gunhillas Warnungen, und Suko schüttelte den Kopf.
»Ist sie nicht auf Einzelheiten eingegangen?« wollte er wissen.
»Nein, sie sprach die Warnung nur allgemein aus und redete auch davon, daß die Vorbereitungen im Gange wären. Wir müssen damit rechnen, daß dieser Dracula bald erscheint.«
»Aber er ist, so wie er in der Literatur dargestellt wurde, eine Kunstfigur.«
»Das stimmt, der tatsächliche Vlad Dracula hat wohl keine Opfer gebissen. Der hat sie auf Pfähle gesetzt und ein grausames Regiment geführt. Das meine ich auch nicht. Uns muß es um die Person gehen, die als sein Nachfolger aufgebaut wird.«
»Wer kann das sein?«
Ich hob die Schultern. »Wenn ich das wüßte, ginge es mir besser.«
Ich ließ Whisky über meine Zunge gleiten und schluckte.
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