0570 - Vampirpest
drückte sich in die Höhe. Sie blieb in der knienden Haltung, die Handflächen gegen den Boden gestützt, den Kopf gesenkt, den Mund geöffnet. Über ihre Lippen floß eine rosafarbene Flüssigkeit und tropfte ihr beinahe aus den Höhlen, der Kopf schien explodieren zu wollen, die Haut im Gesicht war nur mehr ein Klumpen.
Sie benötigte Kraft, sie brauchte Blut, sie mußte es trinken. Wenn jetzt jemand kam, der konnte sie einfach töten.
Vielleicht sogar durch Pfählen…
Als sie daran dachte, erschauderte Reva. Das Pfählen war der schlimmste Tod, der einem Blutsauger widerfahren konnte. Er war einfach grausam, fürchterlich. Davor hatte jeder Angst…
Die Furcht vor einer drohenden Gefahr hatte sich bei ihr verdichtet. Und nicht nur das, die Gefahr blieb nicht entfernt. Sie war dabei, näher zu kommen.
Das Schloß war ihr Ziel.
Reva spürte es wie Speerstiche in ihrem Kopf. Das Hämmern, die Botschaft, die Warnung, es vermischte sich alles zu einem dumpfem Konglomerat, aus dem sich jedoch wieder etwas hervorkristallisierte.
Du mußt etwas dagegen tun!
Reva brauchte Blut, um gestärkt zu werden. Ein Mensch befand sich nicht in der Nähe. Will Mallmann war bereits zu einem Vampir geworden, deshalb gab es für sie nur eine Chance.
Das alte Blut!
Reva wollte aufstehen, was ihr auch nicht leichtfiel, denn sie rutschte dabei über den blanken Steinboden. Mit Hilfe eines – eines Stuhls kam sie endlich auf die Füße.
Sie stand und war darüber glücklich. Die Lehne des Stuhls hielt sie umklammert wie andere Frauen ihren Geliebten. Hohe Töne drangen aus ihrem Mund. Ein Pfeifen, das ihr selbst schrill in den Ohren gellte. Mit taumelnden Schritten durchquerte sie das Atelier, denn sie mußte dorthin, wo sich die Fenster abzeichneten.
Reva hatte sich zuviel Schwung gegeben. Sie schaffte den Stopp nicht vor dem Vorhang, sondern fiel gegen ihn und klammerte sich an den langen Falten fest.
Den Kopf hielt sie schräg. Der Samt glitt seidenweiche an ihrem Gesicht entlang, ohne daß sie etwas spürte. Mit Mühe schaffte es Reva, sich aufzurichten und auch auf den Beinen zu bleiben.
Das alte Blut…
Nicht weit von ihr entfernt sah sie den Krug, auf dem sich noch der Deckel befand.
Aus dem Mund flossen lallende Laute, als Reva sich mit ausgestreckten Armen dem Gefäß näherte. Sie durfte es nur nicht fallen lassen. Wenn es zerbrach, war alles aus, dann hatte sie versagt, verloren.
Der Deckel rutschte ihr aus den Fingern, landete auf dem Stein, der härter war und ihn zerspringen ließ.
Die Vampirin umklammerte das Gefäß mit beiden Händen.
In ihren Augen lag plötzlich ein Leuchten. So dicht vor dem Ziel fühlte sie sich wunderbar. Weit riß sie den Mund auf. Eine Höhle entstand, in die sie das Blut hineingoß.
Es strömte wie flüssige Lava, nur eben als kalte Masse. Sie schluckte nicht, sie leerte das Gefäß fast bis auf den letzten Tropfen. Als sie es wieder zurückstellte und den Kopf senkte, da zeigte die unmittelbare Umgebung ihres Mundes einen roten Schmier. Letzte Tropfen flossen auch an ihrem Kinn entlang in Richtung Hals, wo sie im Ausschnitt des Gewandstoffs versickerten.
Es war geschafft!
Vornübergebeugt blieb sie stehen. In ihre Augen war der Glanz zusammen mit dem Strom der Kraft zurückgekehrt. Sie fühlte sich wunderbar. Die Haut war längst nicht mehr so alt und teigig. Das Blut strömte als Kraftspender durch die Adern und gab ihr wieder das neue, das starke Gefühl zurück. Wer auch immer den Weg zu diesem Schloß fand, er würde eine gewappnete Vampirin vorfinden.
Die Zunge huschte über die Lippen. Mit einer letzten kreisenden Bewegung leckte sie die noch verbliebenen Blutstropfen weg, schritt wieder tiefer in das Atelier hinein und spürte, daß sie federnd und geschmeidig gehen konnte.
Aber sie merkte gleichzeitig, daß etwas mit ihrer Stirn passierte.
Ein tiefes Brennen durchzuckte die Haut und drang auch ein in ihr Gehirn.
Einen Spiegel hatte sie nicht, es hätte ihr auch nichts genutzt. Vampire besaßen kein Spiegelbild.
Wäre es ihr allerdings möglich gewesen, in den Spiegel zu schauen, so hätte sie etwas auf ihrer Stirn entdecken können.
Ein Zeichen, ein Mal, ein Stigma.
Nur ein Buchstabe, ein großes D.
Das D für Dracula!
Denn sein Geist schwebte über allem…
***
Wald, Sonne, blauer Himmel und ein leichter Dunst, der zwischen den Bäumen lag und von den wärmenden Strahlen aufgelöst wurde.
Es war ein wunderschöner Wintertag. Die Temperaturen lagen um den
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