0570 - Vampirpest
nach vorn gedrückt. Mein Blick erfaßte nicht nur die hohen Bäume. Dahinter zeichnete sich etwas ab.
Eine große Wand. Das mußte das Schloß sein. Der Weg führte direkt darauf zu.
»Wer sagt’s denn«, lachte Suko. »Wir haben es gefunden. Was willst du mehr?«
»Will Mallmann.«
»Den holen wir auch noch raus.«
Vor aus öffnete sich der Weg; der Wald lichtete sich. Braungrünes Wintergras säumte die Strecke. Zum Teil bedeckt mit klebrig wirkendem Laub.
Der Weg mündete vor dem Schloß. Er lief dort praktisch aus. Wir erkannten einen Wagen. Er parkte im Schatten der Mauer und wirkte wie bestellt und nicht abgeholt.
Suko schüttelte den Kopf. »Sollte Will sein Fahrzeug gewechselt haben?«
»Bestimmt nicht freiwillig.«
Es war ein dunkler Mercedes. Er hatte schon einige Jahre auf dem Buckel. Auf Lack, Chrom und Scheiben lag ein feuchter Film. Suko rangierte unseren Leih-BMW so, daß der mit der Schnauze zum Weg zeigte. Wir stiegen aus. Leise klappten wir die Türen zu. Falls unsere Ankunft bemerkt worden war und falls sich tatsächlich jemand im Schloß aufhielt, so zeigte sich diese Person nicht.
Die breite Eingangstür lag nicht weit entfernt. Bevor wir hingingen, glitten unsere Blicke an der Mauer hoch. Hohe Fenster unterbrachen das Mauerwerk, das genau an dieser Seite von den Strahlen der Sonne beschienen wurde, die es trotzdem nicht schaffte, das alte Grau freundlicher zu machen.
Im Laufe der Zeit hatte die Fassade einen moosigen Charakter bekommen. In den Spalten, Vorsprüngen und Ritzen zwischen den Steinblöcken wucherte wildes Gras oder schaute Unkraut hervor.
Das war es nicht, was uns stutzig machte. Suko deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die verschiedenen Fenster. »Fällt dir etwas auf?«
»Sicher. Du kannst nicht hineinschauen. Man hat vor jedes Fenster Vorhänge gezogen.«
»Und weshalb?«
»Willst du hören, daß Vampire Dunkelheit brauchen?«
»Genau.«
Ich grinste ihn scharf an. »Okay, Alter, dann werden wir ihnen mal Licht machen…«
Nach diesen Worten bewegten wir uns auf das breite Schloßportal zu…
***
Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sie sicherlich heftig geatmet. So aber spürte sie nur die innere Aufregung, als sie den Wagen sah, der aus dem Wald rollte und die letzten Meter hin zum Schloß fuhr, dort geparkt wurde und zwei Männer ausspie.
Reva stand neben einem Fenstervorhang. Das alte Blut hatte sie gestärkt. Es machte ihr nichts mehr aus, durch eine Lücke zu schauen und den Platz zu beobachten, der vom Sonnenlicht gebadet wurde.
Die Männer blieben stehen. Ihre Blicke tasteten die Schloßmauern ab. Sie bewegten die Köpfe, denn sie wollten sich auch die Fenster ansehen, und Reva zuckte zurück.
Nicht aus Angst vor einer Entdeckung. Sie hatte mit dem sicheren Instinkt eines schwarzmagischen Wesen etwas von der ungemein starken Gefahr gespürt, die von diesen Männern ausging. Das waren keine harmlosen Besucher, die gern das Schloß sehen wollten.
Ihr Kommen hatte einen Grund. Und sie trugen etwas bei sich, daß Reva Angst einflößte. Ein Gefühl, das sie nur selten kannte.
Sie bewegte hektisch ihre Hände. Die Finger schlossen sich zu Fäusten. Sie mußte etwas tun. Wenn die beiden das Schloß durchsuchten, würden sie auch das Verlies nicht auslassen, in dem sich der große Sarg mit den beiden Helfern befand.
Reva zog sich zurück. Für sie kam es auf jede Sekunde an. Noch vor einer halben Stunde war sie durch ihr Atelier getaumelt. Jetzt sah alles anders aus. Die Blutsaugerin bewegte sich geschmeidig und voll eleganter Kraft.
Mit langen Schritten durchquerte sie den Raum. Kaum ein Geräusch war zu hören. Sie huschte vorbei an ihren Gemälden und sah zu, dorthin zu gelangen, wo die Welt der Dunkelheit für immer und ewig liegen sollte.
Die Finsternis hüllte sie ein wie ein Vorhang, als sie über die Stufen der Treppe in die Tiefe eilte und die alte Tür aufzog, die zum Verlies führte. Reva war nicht zu sehen, nur zu hören. Ihre Kleidung raschelte. Sie blieb neben dem Kerzenständer stehen, holte aus der Tasche eine Streichholzschachtel hervor und rieb ein Stäbchen an.
Das flackernde Licht bewegte sich auf den Docht zu, der Feuer fing und mit ruhiger Flamme brannte.
Als hätte jemand einen Vorhang zur Seite geschoben, so erschien allmählich der große, schwarze Sarg aus der Finsternis. Aus seinem Deckel tanzten die gelbroten Flecken, eingebettet in tiefe Schatten.
Reva hatte nicht viel Zeit. Sie mußte schnell handeln, um
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