0570 - Vampirpest
den Plan nicht zu gefährden. Sie wußte auch, was sie zu tun hatte. Für gewisse Notfälle war alles vorbereitet.
Spielerisch leicht hob sich der Deckel. In der schwarzen Totenkiste lagen die beiden Blutsauger wie Puppen. Sie rührten sich nicht. Das über ihre Gesichter huschende Kerzenlicht hauchte ihnen so etwas wie Leben auf.
Reva packte Will Mallmann an den Schultern. Sie mußten ihre Finger tief in den Stoff der Kleidung graben, hob den Untoten an, der noch immer puppenhaft steif reagierte und seine Augen wie verwirrt öffnete, als ihn Reva auf die Füße stellte. Auf kürzester Entfernung starrten sich die beiden Geschöpfe der Nacht an.
»Wir müssen weg!« flüsterte Reva. »Ich muß dich in Sicherheit bringen, Mallmann.«
»Ja…?«
»Komm!«
Er verstand noch nicht, sank in ihrem Griff zusammen und wollte sich wieder in den Sarg fallen lassen, doch die Vampirin hielt ihn eisern fest. »Du mußt es schaffen!« keuchte sie. »Es ist nicht weit. Du mußt durchhalten. Wir werden fliehen.«
»Wohin…?«
»Weg von hier. Für alles andere ist schon gesorgt worden. Du brauchst nur mitzukommen.«
Mallmann war schwach. Er drückte den Kopf zurück, konnte ihn aber nicht steifhalten, denn der Kopf begann zu pendeln. Will hatte die Augen weit aufgerissen, ebenso den Mund. Etwas Blut sickerte noch über die Mundwinkel, zum Teil schon verkrustet.
Reva zerrte ihn weiter. Nur mühsam gelang es ihr, den Vampir um den Sarg herumzuschleifen. Wills Füße bewegten sich nur langsam. Er war schwach, trotz der Finsternis, denn als Vampir spürte er genau, daß vor den dicken Mauern des Schlosses die Sonne schien.
Gift für Blutsauger…
Reva hatte das Schloß nicht ohne Grund zu ihrem Wohnsitz gemacht. In diesem Bau existierten nicht nur die offiziellen Gänge und Etagen. Es gab genügend geheime Verstecke und auch Gänge, durch die sie nach draußen flüchten konnten.
An der Treppe blieb sie noch einmal stehen und schaute zurück, wo das Licht der Kerze auch in den Sarg floß und die zweite Gestalt umschmeichelte. Gerd Bode regte sich noch nicht. Aber durch seine Gestalt rann plötzlich ein Zucken. Dann richtete er sich plötzlich auf.
Fast lautlos kam er hoch. Es sah schaurig aus, wie er seinen Körper in die Höhe drückte und über den Rand des Sarges hinweg auf die Treppe schaute, wo Reva und Mallmann standen.
Er sagte nichts. In seinen Pupillen tanzte der Widerschein des Kerzenlichts. Den Mund hielt er offen. Die Zähne schimmerten wie helle Dolchspitzen.
»Du wirst bleiben!« zischte ihm Reva zu. »Du wirst sie dir holen. Es sind zwei Männer gekommen. Wenn sie im Schloß sind, gehören sie dir. Du kannst sie töten!«
»Blut?« ächzte der Vampir.
»Genau, Blut. Es gehört dir. Saug sie beide aus! Tanke die Kraft oder schieß sie nieder. Ich muß mit ihm weg, er ist wichtig.«
»Kommst du zurück?«
»Später bestimmt. Ich muß noch etwas holen. Ich werde dich dann stark sehen. Ihr Blut wird dich mit der nötigen Kraft versorgen, mein Freund. Viel Glück!«
Reva hatte Bode einen Auftrag gegeben, an den sie selbst nicht glaubte. Mochte er auch noch so stark sein, die beiden Fremden waren stärker. Daran glaubte sie fast. Aber Bode konnte sie aufhalten, ihn brauchte sie nicht. Vielleicht hatte er auch Glück, und es gelang ihm, sie tatsächlich auszusaugen.
Ein weiteres Wort sparte sie sich. So leise wie möglich schlich sie mit Mallmann die Stufen hoch. Nur schlug sie nach der Treppe einen anderen Weg ein. Zurück ins Atelier wollte sie auf keinen Fall.
Es gab andere Strecken.
Kalt war ihr Lächeln, als sie in einen schmalen Gang eintauchte. Er lag nicht einmal weit vom Atelier entfernt. Ihr sehr ausgeprägtes Gehör nahm fremde Geräusche wahr.
Schritte und Stimmen…
Reva hatte das Gefühl, wie durch Eis zu laufen, als sie den anderen Weg nahm und an die Rückseite des Schlosses gelangte.
Allein konnte Mallmann nicht gehen. Sie mußte ihn stützen. Er sah schlimm aus. Wer ihm als Fremder begegnete, mußte einfach Furcht bekommen.
Eine Gestalt mit zerzausten dunklen Haaren und einem graubleichen Gesicht, aus dem die düsteren Augen und der blasse Mund kaum hervorstachen. Sie schritten durch einen schmutzigen Gang, der in den Trakt des Schlosses führte, wo früher einmal das Gesinde gelebt hatte. Dort befand sich auch die geräumige Küche mit den breiten, dunkelroten Steinfliesen auf dem Boden.
Eine Bogentür führte nach draußen. Durch die schmutzigen Fenster drang leider doch mehr Licht
Weitere Kostenlose Bücher