0570 - Vampirpest
in den Wald führte.
Die Blutsaugerin hatte Glück. Der Pfad war zwar nicht breit, aber er reichte ihr aus.
Der schwarze Mercedes wühlte sich hinein. Seine Frontpartie schob Büsche und Gestrüpp zur Seite, das von den breiten Reifen zermalmt wurde. Der Boden war weich wie Gummi. Zweige schlugen gegen das schaukelnde Fahrzeug. Sie erreichte eine Lichtung, und entdeckte eine Grillhütte. Ein nach allen Seiten hin offenes Gebäude mit Sitzbänken und einer gemauerten Feuerstelle in deren Zentrum.
Das war genau richtig.
Reva fuhr den Wagen bis dicht an die Hütte heran und drehte ihn so, daß er mit der Schnauze wieder zum Weg hin zeigte.
Sie blieb zunächst hinter dem Lenkrad sitzen und schloß die Augen. Innerhalb dieses Waldstücks war es ziemlich schattig. Das Sonnenlicht drang kaum auf die Lichtung. Dafür zogen erste Nebelschleier wie dünne Geistergrüße aus dem Boden und breiteten sich als lautloser Teppich aus.
Reva fiel nach vorn.
Obwohl sie sich dagegen wehrte, konnte sie sich nicht mehr halten. Ihre Stirn berührte das Lenkrad, der Mund öffnete sich, die Zunge trat hervor.
Im Kofferraum tat sich nichts. Dort lag Will Mallmann, ohne sich zu rühren.
Zeit verstrich…
Der Nachmittag ging allmählich vorbei. Die Kühle nahm zu, auch die Schatten verdichteten sich.
Wie ein gewaltiges Gespenst erschien die Dämmerung am Himmel, die sich langsam vorschob, um die Helligkeit des Tages abzulösen und der Sonne ihre Kraft zu nehmen.
Genau das Wetter brauchte die Blutsaugerin, um sich zu erholen.
Noch kochte in ihr das alte Blut, noch besaß sie Kraft, auch wenn sie dermaßen erschöpft war.
Sie ruhte, wartete auf die Nacht, auf den Mond und das kalte Licht der Sterne.
Es war kein Schlaf, in den sie gesunken war, eher ein Dahindämmern. Der Instinkt war noch wach, und er wurde weiter geschärft, als sie plötzlich ein Geräusch vernahm, das ihre Ruhe störte.
Es war ein Knattern oder Brummen, das überhaupt nicht in die Stille des Waldes hineinpaßte.
Als sich Reva aufrichten wollte, verstummte das Geräusch. Sie blieb in ihrer alten Lage sitzen.
So sahen sie auch die beiden jungen Männer, die ihr Motorrad aufgebockt hatten, die Helme abnahmen und sich mit zögernden Schritten dem Fahrzeug näherten.
»Was ist das denn?« flüsterte der Kleinere. Er wurde zumeist Zwerg gerufen.
»Ein Weib.«
»Das sehe ich auch. Was will die hier?«
»Keine Ahnung.«
»Ob die was gemerkt haben, daß ich hier ohne Führerschein übe?«
»Unsinn. Wir hätten die Verfolger entdeckt.« Der junge Mann grinste. Er hieß Holger und war in der Umgebung als Motorradfreak bekannt, der ab und zu für einen größeren Schein seine Kumpel auf der stahlblauen Maschine fahren ließ.
»Aber was macht dieser Wagen hier?«
»Zwerg, halte du dich zurück. Das ist was für Helden, so wie mich.« Holger grinste breit. Er hatte längst erkannt, daß eine Frau hinter dem Lenkrad saß. So sicher, wie er sich seinem Kumpel gegenüber gab, war er trotzdem nicht. Ihm gefiel die Haltung der Fahrerin nicht. Entweder war die Frau eingeschlafen oder aber…
Er wagte an das andere kaum zu denken und hoffte nicht, daß sie tot war…
Neben dem Wagen blieb er stehen. Der »Zwerg« wartete im Hintergrund. Sein Gesicht hatte einen ängstlichen Ausdruck bekommen. Nervös leckte er sich über die Lippen.
Holger beugte sich vor und ging gleichzeitig in die Hocke. So konnte er das Gesicht der Frau im Profil besser erkennen. Auf der Lichtung war es ziemlich dunkel. Die Bäume standen zu dicht, um noch Tageslicht durchzulassen. Deshalb verschwammen sie zu Schatten, durch die graue Schleierfahnen trieben.
Die Frau sah nicht schlecht aus, wie Holger meinte. Leider konnte er von ihrem Gesicht noch zu wenig erkennen, weil das Haar zur Seite gerutscht und wie ein Schleier davor gefallen war.
»Was ist mit ihr?« fragte der »Zwerg«.
»Keine Ahnung.«
»Laß uns abhauen!«
»Noch nicht.« Holger klopfte gegen die Scheibe. Zuerst wollte er diesen Versuch starten, bevor er die Tür öffnete. Das Klopfen wurde möglicherweise innen gehört, nur rührte sich die Frau nicht um einen Millimeter.
Der »Zwerg« zündete sich eine Zigarette an und schaute sich dabei vorsichtig um. Holger schien recht gehabt zu haben. Er jedenfalls konnte niemanden entdecken, der sie beobachtete.
Holger stand auf. Er roch den Rauch der Zigarette und schaute über die Schulter. »Ich öffne die…«
Er brauchte es nicht zu tun.
Reva hatte längst die beiden bemerkt
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