0571 - Die Legende vom grauen Riesen
fassen, tat nichts im Gegensatz zu mir.
War die Schlange echt?
Daran glaubte ich, aber ich rechnete auch mit einer anderen Möglichkeit. Unter Umständen war sie magisch aufgeladen, und das genau wollte ich herausfinden.
Mein Kreuz ließ ich unter der Kleidung, dafür zog ich eine andere Waffe hervor, den Dolch!
Lucy hatte es gesehen. »Nein!« hauchte sie. »Was… was wollen Sie denn damit?«
»Ich werde sie teilen.«
»Aber…«
»Seien Sie unbesorgt. Schlangen gehören zu meinen speziellen Freunden, die ich eigentlich mag.« Noch immer kniete ich auf dem Bett, die Schlange jedoch nicht aus den Augen lassend.
»Die wird Sie…«
»Ruhe, Mädchen!« Der Silberdolch lag in meiner rechten Hand.
Eine sehr gut ausgewogene Waffe. Ich wollte die Schlange damit angreifen und war sehr gespannt darauf, wie sie auf das geweihte Silber reagierte. Wenn sie durch eine schwarzmagische Kraft gesteuert wurde, würden wir eine Überraschung erleben.
Sie hatte ihre Kriechrichtung geändert, sich gedreht und so aufgerichtet, daß der Kopf pendelnd in meine Richtung zeigte. Die kleinen Augen fixierten mich, das Maul stand offen. Ab und zu huschte die Zunge hervor.
Ich wartete.
Noch war die Distanz zu groß, um das Tier mit einem Streich erwischen zu können.
Aber es kam näher…
Das war gut so. Ich ließ die Schlange keine Sekunde aus den Augen. Sie spürte, daß auf dem Bett ihr Feind hockte, denn um Lucy Freeman kümmerte sie sich nicht.
Auch ich interessierte mich nicht für die junge Frau. Ich stützte mich nur mehr mit der linken Hand ab. Den rechten Arm hatte ich angehoben.
Die Schlange huschte noch näher an das Bett heran. Sie richtete sich auf, damit sie auf die Liege kriechen konnte.
Genau das war meine Chance!
Ich schlug von rechts nach links und handhabte den Dolch dabei wie eine Machete.
Es erklang nur ein leises Klatschen, als ich die Schlange erwischte.
Die Schneide des Silberdolchs war sehr scharf. Ein Körper wie der dieser Schlange bot ihr keinen Widerstand.
Plötzlich fiel sie in zwei Hälften zu Boden. Der Kopfteil wirbelte noch weiter weg, und ich hörte von der Tür her den erschreckten Ausruf der Lucy Freeman.
Sie bekam ebenfalls mit, wie die obere Hälfte des Schlangenkörpers noch zuckend über den Boden wischte, aber plötzlich mit einem puffenden Geräusch zerplatzte.
Dabei entstand ein heller Blitz, der durch die Kabine irrlichterte, dann war der Körper verschwunden.
Und zwar beide Hälften. Ein dünner Rauchfaden war bei genauem Hinsehen zu erkennen, mehr aber nicht.
Ich atmete tief aus und sprang vom Bett.
Lucy Freeman regte sich nicht. In ihren Augen las ich Unglauben.
Sie stand sogar noch steif, als ich ihr meine Hand auf die Schulter legte und ihr zunickte. »Es ist vorbei. Ich habe die Schlange erledigt. Sie waren Zeuge, Lucy.«
»Ja, ja…«, hauchte sie. »Das habe ich mitbekommen. Das … das konnte ich genau sehen.«
»So wird es allen Schlangen ergehen, die uns angreifen wollen.«
»Wieso denn?«
»Die Erklärung ist schwer und dennoch einfach, Lucy. Diese Schlangen sind keine normalen Tiere, obwohl sie so aussehen. Es sind schwarzmagische Wesen. Sie haben richtig gehört«, bestätigte ich mich selbst, als ich ihr erschrecktes Gesicht sah. »Wesen, die durch Schwarze Magie am Leben erhalten werden.«
»Und Sie haben sie getötet.«
»Weil meine Magie stärker war. Ich habe mit der gegensätzlichen die Schlange vernichtet.«
»Wie konnten Sie das denn, John?«
Ich lächelte sie an. »Das werde ich Ihnen vielleicht später einmal erzählen. Wichtig ist nur, daß wir es geschafft und die erste Gefahr gebannt haben.«
»Ja, ja…« Sie trat vor, ging an mir vorbei und schritt auf das viereckige Fenster zu, um hinauszuschauen. Manchmal wischte Spritzwasser gegen die Scheibe.
»Sie sollten noch einen Schluck Kaffee trinken oder mit den anderen zusammen frühstücken.«
»Kommen Sie denn mit, John?«
»Wenn Sie es wünschen.«
Lucy drehte sich um. »Ja, ich wünsche es mir. Ich wünsche es mir von Herzen. Bitte, John, kommen Sie mit. Ich möchte da oben nicht allein unter den Frauen sein. Die sind bestimmt nicht so stark wie Sie, kann ich mir vorstellen.«
»Unterschätzen Sie die Damen bloß nicht.«
»Trotzdem.«
»Gibt es eine bestimmte Person, vor der Sie sich fürchten?«
»Eigentlich nicht.«
»Wie ist es mit Morna Clayton?«
Lucy hob die Schultern und schaute gegen die Tassen. »Ich kenne sie nicht. Ich bin ihr heute zum erstenmal begegnet. Wie
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