0576 - Ein Mutant verschwindet
er hoffte, irgendwelche Spuren zu entdecken. Doch der vom Regen der letzten Tage aufgeweichte Boden trug nur die grasähnlichen Pflanzen, mit denen die gesamte Hügellandschaft bewachsen war. Die Stadt mußte sich früher einmal nahtlos in dieses Land eingefügt haben.
Wahrscheinlich lag sie in einem ausgedehnten Tal.
Wenn die Schwarmbewohner alle Städte auf diese Art abgesichert hatten, war es erstaunlich, daß nicht eines der terranischen Explorerschiffe bisher eine solche Welt entdeckt hatte. Lagen alle Welten außerhalb der Galaxis?
Auch darauf gab es im Augenblick keine Antwort.
Der Tatsache, daß sie auf einer Sauerstoffwelt herausgekommen waren, durfte Alaska keine besondere Bedeutung beimessen. Er konnte daraus keine Rückschlüsse ziehen, denn Kytoma war sicher nur aus Rücksicht auf ihre beiden Begleiter hierher gekommen. Allerdings hatte sie betont, daß sie diese Welt anderen vorzog, weil hier die Spuren ihrer Artgenossen besonders deutlich waren.
Das alles konnte Alaska nicht beurteilen. Er war auf Vermutungen angewiesen.
Kytoma wandte sich von der Sperre ab. Der Wind beutelte ihren Umhang und ließ ihren knochigen Körper sichtbar werden.
Eigentlich, dachte Saedelaere mit einem Anflug von Belustigung, paßten das Mädchen und er recht gut zusammen.
„Ich glaube, daß ich es schaffe!" riß ihn Kytomas Stimme aus seinen Gedanken. „Ich habe den Schlüssel zur Sperre gefunden.
Die Stadt wird mich als Bewohner akzeptieren, sobald ich sie zurückgeholt habe."
„Wird sie auch uns akzeptieren?" fragte Alaska gedehnt.
Sie sah ihn überrascht an, und Alaska begriff, daß sie daran überhaupt noch nicht gedacht hatte. Spuren von Verlegenheit zeigten sich auf Kytomas Gesicht und verschwanden wieder.
„Du bist mein Freund", stellte sie fest, als gäbe es daran keine Zweifel. „Die Stadt wird dich akzeptieren."
„Und Rakkells?"
„Ich hoffe es!"
„Kann ihm etwas zustoßen, wenn ihn die Stadt nicht akzeptiert?" erkundigte sich Saedelaere.
„Nein", erwiderte sie, aber die Wahrheit war, das ahnte Alaska, daß sie es nicht wußte.
Er sah den Captain an.
„Wenn die Stadt auftauchen sollte, dürfen Sie sie erst betreten, wenn wir sicher sein können, daß Ihnen nichts passiert."
„Waschbär" Rakkells preßte die Lippen aufeinander. Wut und Angst beherrschten ihn und machten ihn unberechenbar.
„Ich werde jetzt die Sperre aufheben", kündigte Kytoma an.
Voller Spannung beobachtete Alaska, wie sie abermals vor das Nichts in der Landschaft trat. Die Entscheidung stand jetzt bevor.
Alaska fragte sich, welche Kräfte Kytoma in der vergangenen Nacht in sich aufgespeichert hatte, als irgendein Teil von ihr am Grunde des Sees gewesen war.
Das Mädchen ging langsam auf die weiße Wand zu. Alaska glaubte etwas von dem Druck zu fühlen, dem dieses seltsame Wesen jetzt ausgesetzt war. Er ahnte, daß eine ungeheure Kraftprobe stattfand, bei der Kytomas Niederlage ihre Vernichtung bedeutet hätte.
Weiter näherte sich das magere Mädchen der Sperre.
Alaska glaubte schon, sie würde in das Nichts übergehen, würde von dieser diffusen Masse aufgezehrt werden.
Doch dann kam alles ganz anders.
Der weiße Fleck in der Landschaft verschwand.
Vor ihnen lag die Stadt.
5.
Die Bezeichnung „Stadt" traf für das, was sie sahen, wohl ebenso wenig zu wie jeder andere Begriff. Das Tal war angefüllt mit transparent aussehenden Körpern verschiedenster Form und Große. Zwischen den einzelnen Gebilden gab es stab- und röhrenähnliche Verbindungsstücke. Auf den ersten Blick sah es aus, als hätte jemand willkürlich verschiedenartige Gegenstände angehäuft, doch nach längerem Betrachten stellte Alaska Saedelaere fest, daß alles, was sich im Tal befand, aus einem Stück zu bestehen schien. In einem unvorstellbaren Arbeitsaufwand schien jemand alle Vertiefungen aus dieser transparenten Masse herausgearbeitet zu haben. Die Stadt war das ästhetischste Gebilde, das Alaska jemals erblickt hatte. Die Erbauer dieser Einrichtung mußten ein unvergleichliches Gefühl für Harmonie besitzen.
Der Maskenträger spürte, daß er beim Anblick dieser Stadt von Wehmut ergriffen wurde. Es war die Überzeugung, daß Menschen, wie sie jetzt lebten, niemals ein solches Kunstwerk schaffen konnten. Dazu waren die Menschen noch nicht reif.
Jetzt verstand Alaska auch die Worte Kytomas, die davon gesprochen hatte, daß die Stadt sie wohl akzeptieren würde.
Dieses Gebilde, das von den Erbauern des Schwarmes geschaffen
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