0577 - Ein Mutant wird gejagt
füllen.
Licht flammte auf und hüllte Alaska ein. Der Mund des Kindes, das im Eingang stand und sich mit einer Hand am Türöffner festhielt, war vor Überraschung weit offen, seine Augen waren aufgerissen und zeigten schnell steigende Furcht.
Obwohl das Kind vier Schritte von ihm entfernt war, glaubte Alaska, in den dunklen Augen sein eigenes Spiegelbild zu sehen: Er stand wie versteinert da, leicht gekrümmt, die Hände um den Beutel geklammert.
Er war groß, dünn, trug eine Maske über dem Gesicht, unter der es verhalten leuchtete. Die viel zu weite Uniform hing um seinen Körper.
Für das Kind - es war ein Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt - mußte er wie ein Gespenst aussehen. Dem Ausdruck seines Gesichtes nach zu schließen, würde es in wenigen Augenblicken anfangen zu schreien.
Alaskas rechte Hand löste sich vom Beutel und tastete über den Schrank. Sie bekam einen Glasbehälter zu fassen. Alaska packte ihn und machte ein paar Schritte auf das Kind zu. Er sah, wie das Mädchen den Kopf zwischen die Schultern zog - eine Bewegung, die seine völlige Hilflosigkeit zum Ausdruck brachte.
Der Glasbehälter sauste herab, Alaskas Hand war wie ein Körperteil, der ein Eigenleben besaß.
Das kleine Kindergesicht schien zu zerbrechen, Blut lief über die blasse Haut. Alaska taumelte rückwärts. Das Kind stand da, die Arme weit von sich gestreckt. Es blutete aus einer Wunde am Kopf. Dann schwankte es, seine Hand glitt über die glatte Türfläche, suchte nach einem Halt. Das Kind prallte auf den Boden und machte dabei ein Geräusch wie ein gefüllter Sack.
Der Anblick brannte sich tief in Alaskas Bewußtsein ein, eine entsetzliche Abscheu gegen sich selbst erwachte in ihm.
Er sah, daß der Behälter bei dem Aufschlag zerplatzt war, die Scherben lagen rund um das Kind am Boden. Den Stumpf des Behälters hielt Saedelaere noch immer in der rechten Hand, ein spitz gezacktes Etwas, an dem Blut und Haare klebten.
Alaska ließ das Ding fallen.
Das Kind am Boden begann zu schreien.
Sekunden später hörte Alaska Schritte, die aus dem Antigravschacht über den Korridor klangen.
Ein Mann erschien im Eingang zur Küche.
Er war groß, trug nur ein Unterhemd und hielt in einer Hand eine Tonspule.
Er sah Alaska an, dann das Kind, dann wieder Alaska.
In seinem Gesicht ging eine Veränderung vor. Es war, als würde er sich innerhalb einer Sekunde völlig verändern. Das Kind wimmerte leise.
Alaska war unfähig, etwas zu tun. In einer Hand hielt er noch immer den Beutel.
„Verdammt!" preßte der Mann hervor. Dann kam er auf Alaska Saedelaere zu.
5. Die Jäger Der Gleiter raste südwärts. Unter ihm lag das größte Kettengebirge der Welt - das Himalajamassiv. Aus dieser Höhe erinnerten die schneebedeckten Berge Fellmer Lloyd immer an Zuckergebäck, das man auf einem Tisch aufgeschichtet hatte.
Infrarotbilder auf dem Bildschirm machten alles taghell.
„Fliegen Sie langsamer und gehen Sie tiefer!" rief er dem Piloten zu. Der Mann, der die Maschine flog, war ein Mitglied der Solaren Abwehr.
Ras Tschubai, der hinter Lloyd saß, beugte sich nach vorn und tippte dem Telepathen mit den Fingern auf die Schulter.
„Spüren Sie Impulse?"
Lloyd schüttelte den Kopf.
„Trotzdem fliegen wir zu schnell. Außerdem werden wir unser Einsatzgebiet in wenigen Sekunden verlassen haben, wenn wir in dieser Geschwindigkeit weiterfliegen."
„Ich kann langsam umkehren", schlug der Pilot vor.
Tschubai machte eine ungeduldig wirkende Bewegung.
„Wie oft haben wir das Gebiet schon abgeflogen?" erkundigte er sich. „Sicher werden wir Corello dort unten nicht finden."
Der Pilot gähnte.
„Sind Sie müde?" erkundigte sich Lloyd teilnahmsvoll.
Der Mann blickte auf die Uhr.
„In zwei Stunden werde ich abgelöst.
Dann wird Franklin Eff diese Maschine übernehmen." Er zuckte bedauernd mit den Schultern. „Aber Sie werden dann keine Pause machen."
Lloyd wollte gegen seinen Aktivator klopfen und dem Mann klarmachen, daß Zellaktivatorträger bei weitem nicht soviel Schlaf brauchten wie ein Sterblicher, aber er unterließ es. Man konnte nie sicher sein, wie ein Sterblicher auf eine solche Geste reagierte, manche Menschen waren in dieser Beziehung ausgesprochen sensibel.
Verständlich! dachte Lloyd.
Der Gleiter sank bis auf eine Höhe von viertausend Meter. Die hohen Berge lagen jetzt rechts von ihm.
„Noch langsamer!" befahl Fellmer Lloyd.
Tschubai kniff die Augenbrauen zusammen.
„Sie haben doch
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