0577 - Gebieter der Nacht
mir leid, Leute, aber aus der Schulung wird nichts, in meiner Wohnung liegt ein Mann, und es kann sein, daß ich ihm den Schädel eingeschlagen habe!
Nein, keine Polizei! Sie mußte einen anderen Weg finden, um aus dieser Falle zu entkommen!
Es war ein alter Mann gewesen. Vielleicht vermißte ihn niemand, auf jeden Fall nicht sofort. Vielleicht blieb ihr etwas Spielraum.
Natürlich konnte sie ihn nicht in seine Wohnung zurückbringen. Sie bedauerte jetzt, daß sie nie direkten Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, dann wüßte sie vielleicht mehr über seine Vorlieben und hätte einen Ort finden können, an den sie seinen Leichnam hinbringen könnte.
Aber sie hatte ja keine Ahnung.
Also irgendwohin…
Und dann alles seinen Weg gehen lassen.
Vielleicht sollte sie überhaupt recht schnell ihren Wohnsitz wechseln und ins Ausland gehen. Sie war schließlich unabhängig, für sie spielte es keine Rolle, ob sie ihre Aufträge in Yeovil, London, Peking oder im australischen Outback entgegennahm. Hauptsache, es gab ein funktionierendes Telefon und eine Möglichkeit, von dort an jeden anderen Ort der Erde zu gelangen.
Tief atmete sie durch.
Wie sollte sie den Toten verschwinden lassen? Schließlich konnte sie ihn ja nicht in ihrer Wohnung behalten!
Und die Schäden, die der Kampf hervorgerufen hatte…
»Nein«, seufzte sie und faßte sich mit beiden Händen an die Schläfen. »Nein, nicht darüber nachdenken, nicht jetzt…«
Sie hatte zu tun!
Sie mußte nach Beaminster!
Müde stolperte sie ins Bad. Aber der Anblick des Toten in ihrem Wohnzimmer ließ sie nicht mehr los und verursachte Übelkeit.
Sie fühlte sich hilflos, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich hilflos.
Und sie hätte alles darum gegeben, wenn »er« plötzlich aufgetaucht wäre, um ihr zu helfen.
»Er«…
Oder der andere?
Welcher andere?
Plötzlich hatte sie Angst, den Verstand zu verlieren!
Weit war sie davon nicht mehr entfernt…
***
Sinson hatte den Deckel seines Sarges geschlossen. Der wohlige Kontakt zur Heimaterde unter dem roten Samt, auf dem er ruhte, übte einen beruhigenden Einfluß auf ihn aus.
Er war verletzt.
Schwer sogar.
Er hatte nicht gedacht, daß Morano es fertigbringen würde, gegen ihre Übermacht zu gewinnen, aber dieser verdammte alte Blutsauger hatte es geschafft.
Sinson war froh, es nicht mit einem menschlichen Vampirkiller zu tun gehabt zu haben. Der hätte ihn gepfählt oder schlimmere Dinge angestellt. Dann wäre Sinson zu Staub zerfallen, und danach konnte ihn nur noch frisches Blut wieder erwecken. Das mußte dann in seinen Staub tropfen - solange dieser nicht bereits in alle Winde verstreut war.
Morano hatte es vielleicht nicht für nötig gehalten, wie einer dieser Vampir-Killer vergehen zu müssen, das war Sinsons Glück gewesen. Moranos Versäumnis sicherte sein Überleben Aber er war jetzt schwach - und verwundet.
Er mußte ruhen und sich erholen. Es war schon fast ein Wunder, daß ihm die Flucht gelungen war.
Morano hatte ihn für tot gehalten und sich nicht weiter um ihn gekümmert, so hatte Sinson verschwinden können. Beinahe wäre er bereits vom Balkon abgestürzt, erst im letzten Moment hatte er es geschafft, seine Schwingen auszubreiten und seinen Fall abzufangen. Das hätte ihm in seinem Zustand vermutlich den Rest gegeben.
Er verfluchte Sarkana, der ihm die Unterstützung bei diesem Unternehmen verweigert hatte. Mit Sarkanas Hilfe wäre es bestimmt kein Problem gewesen, Morano zu besiegen. Aber Sarkana war ein alter Narr.
Wenn ich das hier überstehe und Morano ausschalten kann, werde ich Sarkana von seinem Thron fegen, dachte Sinson. Einer, der einem der Seinen die Hilfe verweigert, verdient nicht zu leben!
Aber zuerst mußte er sich von seinen Verletzungen erholen und sich danach um Morano kümmern.
Im offenen Kampf - so immerhin bezeichnete Sinson seinen Hinterhalt - war Morano ihm überlegen gewesen. Also mußte er beim nächsten Mal zu einem Trick greifen.
Doch jetzt benötigte er Ruhe.
Dunkelheit hüllte ihn ein und nahm ihn sanft in sich auf…
***
Zamorra rieb sich müde die Augen. Er fühlte sich wie erschlagen.
»Sieht so aus, als müßte ich die fünf Reporterfragen stellen«, murmelte er. »Wer, wo, was, wann, wie und warum.«
»Das waren aber schon sechs Fragen«, korrigierte Nicole schmunzelnd. »Willkommen unter den Lebenden.«
»Sexfragen?« murmelte Zamorra. »Wie kommst du denn auf so was Unanständiges?«
»Sechs Fragen!« seufzte Nicole. »Schon
Weitere Kostenlose Bücher