0578 - Die Geisel
nur mit ihr geschehen?
Brookman begriff die Welt nicht mehr. Donna war seine Tochter, nur kam sie ihm vor wie eine Fremde.
»He«, sagte er krächzend.
Sie gab keine Antwort. Auf der Stelle drehte sich die junge Frau um und senkte ihren Kopf.
Brookman schaute direkt in ihr Gesicht.
Es war bleich, es war anders. Auf der bleichen Haut fielen die Schmutzstellen besonders auf. Es gab auch Flecken, die aussahen, als würde Blut unter den Augen kleben.
Blut, die Wunde – und Donna lebte trotzdem.
Brookman bekam plötzlich Angst. Es war die Furcht vor dem Unbegreiflichen. Trotz der Schmerzen arbeitete sein Gehirn normal, und er mußte daran denken, was ihm dieser Sinclair gesagt hatte.
Von irgendwelchen Zombies hatte er gesprochen. Von schwarzmagischen Wesen, und Donna wirkte so, als würde sie dazuzählen.
Das… das konnte nicht stimmen.
Sie ging den ersten Schritt, den zweiten und behielt die Richtung bei. Es war klar, daß sie zu ihrem Vater wollte, der fassungslos auf dem Rücken lag.
»Donna…«, hauchte er. »Was … was ist mit dir los, Kind? Du … du bist so anders, so fremd, unheimlich…«
Sie gab keine Antwort, schaufelte nur mit beiden Händen an verschiedenen Seiten ihre Haarflut zurück, öffnete leicht den Mund und gab ein Geräusch von sich, das an Knurren eines Hundes erinnerte.
Als hätte sie sich von einem Menschen in ein Tier verwandelt. So kam es dem Geldverleiher vor.
In ihrem Weg lag eine Vase. Der Teppich hatte den Aufprall gedämpft. Als Donna sie zur Seite trat, zerbrach sie. Mit der linken Hand fuhr sie über den Kotflügel des Jaguars hinweg. Es sah aus, als wollte sie das Blech zärtlich streicheln.
Dann hob sie den Arm, ballte die Hand zur Faust und beugte sich tiefer.
Sehr bedächtig öffnete sie den Mund. David Brookman konnte gegen die Zähne seiner Tochter schauen.
Innerhalb des Oberkiefers hatte sich etwas verändert. Zwei Zähne waren gewachsen und vorn spitz zugelaufen.
Brookman wußte Bescheid.
Seine Tochter Donna war zu einem Vampir geworden…
***
Konnte sie noch schreien?
Nein, sie besaß keine Stimme mehr. Sie konnte auch nicht mehr weinen, es war alles vorbei. Sämtliche Gefühle in ihr waren verloschen wie Kerzenflammen im Wind. Marion Brookman erlebte die Minuten wie einen einzigen fürchterlichen Alptraum.
Der Unheimliche besaß das Geld. Er hockte, neben ihr und lenkte den Mercedes. Auch jetzt hatte er seine dunkelrote Kapuze nicht abgenommen. Darin wirkte er mittelalterlich, denn er trug zudem eine helle Kutte, die nichts von seinem Oberkörper freiließ. Marion hatte bisher nur seine Augen und die Hände gesehen. Beides war normal gewesen.
Sie dachte auch an ihre Schwester. Was mit Donna geschehen war, hatte sie kaum mitbekommen. Die junge Frau war aus dem Wagen gestoßen worden. Sie hatte noch ihren Schrei gehört und danach ungewöhnliche, schmatzende Laute.
Der Maskierte war allein in den Mercedes zurückgekommen. Marion hatte zudem nicht gewagt, nach Donna zu schauen. Irgendwo aber sagte ihr Verstand, daß Donna nicht mehr lebte. Mit dem Tod der beiden Frauen hatte der Maskierte schon öfter gedroht.
Nun rasten sie in die Nacht hinein!
Sie stießen der Finsternis entgegen. Voraus floß der bleiche Lichtteppich aus Scheinwerfern, der als blasses Bild die Fahrbahn beleuchtete. Marion Brookman wußte nicht, wohin sie fuhren, sie traute sich auch nicht, danach zu fragen. Völlig verkrampft hockte sie auf dem Beifahrersitz, die Hände zusammengepreßt, manchmal mit den Zähnen vor Furcht und Kälte klappernd.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange dieses Leiden noch dauern sollte. Der Kerl hatte sein Geld, doch er traf keinerlei Anstalten, sie auf freien Fuß zu setzen.
Wenn sie so weiterfuhren, würden sie bald die Hauptstraße erreichen, und Marion konnte sich vorstellen, daß die Polizei dort Sperren aufgebaut hatte.
»Hast du Angst?« Der Maskierte stellte die erste Frage nach dem Start.
Sie nickte.
Unter der Kapuze klang das Lachen dumpf. »Das hätte ich auch. Ja, ich hätte auch Angst.«
»Was… was wollen Sie denn? Sie haben doch das Geld! Bitte, lassen Sie mich frei!«
»Ich will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
»Das verstehe ich nicht…«
»Keine Sorge, du wirst es noch begreifen, glaub mir.« Er lachte wieder und drückte noch mehr auf das Tempo. Manchmal war die Fahrbahn zu schmal für den rasenden Wagen. Dann kratzten Zweige des Gestrüpps wie spitze Fingernägel über den Lack.
»Und wer sind Sie wirklich?« hauchte
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