0578 - Die Geisel
waren einfach zu mächtig gewesen.
Fünf Minuten später traf der Arzt ein. Er ließ sich von uns erklären, wo die Verletzung ihren Platz gefunden hatte und zog danach ein sehr bedenkliches Gesicht. »Das kann natürlich ins Auge gehen«, sagte er. »Dieser Mensch könnte, wenn er Pech hat, sein ganzes Leben über gelähmt bleiben. Wir werden sehen.«
Auch die Leiche wurde abgeholt. Der Jaguar blieb im Zimmer. Wir mußten erst das Einverständnis des Hauseigentümers einholen, um die Wohnung wieder so herrichten zu lassen, wie sie einmal gewesen war.
Uns quälten andere Sorgen.
Da war zunächst die zweite Geisel, Marion Brookman. Bei mir war zudem die Wunde aufgerissen worden, die Mallmann durch die Entführung meiner Mutter hinterlassen hatte.
Und er, dieser verfluchte Vampir, schwebte wie ein Damokles-Schwert über allem…
***
Weder Suko noch ich gehören zur Kategorie der Supermänner, die mir nichts dir nichts locker die Nächte durchmachen und das Wort Schlaf höchstens geschrieben kannten. Es war gegen vier Uhr, als wir unsere Betten ahnten.
Wir standen noch kurz auf dem Flur zusammen und sprachen über den Fall. Einen Fahndungserfolg hatte es nicht gegeben. Das wußte ich von Captain Hamilton, mit dem ich noch gesprochen hatte. Er hatte mir aber versprochen, mich anzurufen und notfalls aus tiefem Schlaf zu holen, falls eine Änderung des Zustandes eintrat.
»Na denn…«, sagte Suko und hob die Hand zum Gruß.
»Bis gleich.«
Ziemlich kaputt betrat ich die Wohnung. Der Arzt hatte mir noch zwei Tabletten gegeben, die linderten die Kopfschmerzen ein wenig.
Die Beule konnte ich unter den Haaren ertasten. In der letzten Zeit war mein Kopf ein wenig oft zur Zielscheibe geworden. In Zukunft würde ich ihn schonen müssen.
In meiner Wohnung roch es muffig. Ich öffnete ein Fenster, atmete noch einige Male die kühle Londoner Nachtluft ein, die mir reiner vorkam als die im Zimmer.
Wenig später lag ich im Bett. Ich sackte förmlich in den Schlaf und träumte nicht bewußt.
Die restlichen Stunden verflogen wie im Rutsch. Als mich der Wecker aus dem Tiefschlaf riß, hatte ich das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben.
Wie ein Halbtoter kroch ich aus dem Bett. Die Dusche machte mich auch nicht viel munterer, der Kaffee schmeckte wie ein Gorilla unter dem Arm, und ich freute mich auf Glendas frisch gekochte braune Brühe.
Sie rief schon an: »Willst du heute nicht ins Büro kommen, John?«
»Später. Was ist denn los?«
»Ein Captain Hamilton wollte dich sprechen.«
»Und?«
»Er sagte, der Wagen sei gefunden.«
Jetzt war ich wach. »Wo denn?«
»Davon habe ich keine Ahnung. Er hat aber eine Rufnummer hinterlassen. Wahrscheinlich die private.«
»Okay, gib sie mir.« Ich schrieb mit, als Glenda diktierte. Dann erkundigte sie sich, wann ich ins Büro kommen würde.
»Das kann ich dir noch nicht sagen. Brühe bitte in einer halben Stunde den Kaffee auf.«
»Mal sehen.«
Ich rief dann bei Hamilton an. Eine Frauenstimme meldete sich.
Als sie meinen Namen hörte, seufzte sie. »Wenn mir Cliff nicht ausdrücklich gesagt hätte, daß ich ihn wecken sollte, wenn Sie anrufen, hätte ich ihn schlafen lassen.«
»Es ist wirklich wichtig, Mrs. Hamilton.«
»Ja, ich weiß.«
Hamiltons Stimme klang übernächtigt, aber seine Neuigkeiten faszinierten mich.
»Wo haben deine Leute den Wagen gefunden?«
»Es war schon hell, als sie die Waldstücke noch einmal durchkämmten. Dabei fiel ihnen der zerstörte Zaun eines militärischen Übungsplatzes auf. Sie drangen ein und fanden den Mercedes.«
»Leer natürlich – oder?«
»Und eine Nachricht hat der Fahrer nicht zufällig hinterlassen?«
Hamilton lachte. »Wie kommst du darauf?«
»Weil ich mittlerweile weiß, welches Gesicht sich hinter der verdammten Kapuze verbirgt.«
»Sag nur.«
»Ja, es stimmt. Ich kenne den Kerl. Ein ehemaliger Bekannter und sogar ein Freund von mir.«
»Aber kein Zombie?«
»Nein, jetzt ein Vampir.«
»Ach du Scheiße. Wie ist es mit der Stimmenanalyse?«
»Vergiß sie.«
»Gut.« Ich hörte ihn laut ausatmen. »Dann wünsche ich dir noch einen guten Tag.«
»Danke, schlaf du dich aus.«
Ich hörte, wie Suko die Tür aufschloß. »Bist du schon fertig?« rief er aus dem Flur.
»Ja, mit den Nerven.«
»Wieso? Was war los?«
Ich berichtete ihm von meinem Gespräch mit Hamilton.
Suko zog ein bedenkliches Gesicht. »Auf einem Truppenübungsplatz also. Das ist übel.«
»Wieso?«
»Ich hatte nur gerade so
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