058 – Das Gift des Rings
vor allem die damit verbundenen Speicherbänke verschmort und dabei den Eindruck eines tragischen Unfalls erweckt, wie er bei derlei Anlagen hin und wieder vorkam.
»Man muss nackt in der Wüste stehen, um sich selbst zu erkennen«, sagte Sergh und entschärfte damit die Vorrichtung. Im Grunde war dies ein primitiver Identifikationsmechanismus, aber bei einem fortgeschrittenen Ingenieur, der die Abfrage seiner Individualsignatur hätte programmieren können, wäre die Beseitigung schwieriger gewesen als bei dem Konstrukteur, den er damals mit der Einrichtung seines privaten Bereichs beauftragt hatte. Er hatte seine Aufgabe gut erfüllt und war mit einem schmerzlosen Tod belohnt worden.
Der Boden senkte sich ab. Über Sergh verschloss eine identisch wirkende Platte die Öffnung. Sergh ließ sich vor der echten Konsole nieder. Nur von hier aus hatte er vollen Zugriff auf den abgekapselten Bereich der Positronik des Palasts, der allein seinen Zwecken diente. Dieser hatte ihm eine Nachricht geschickt, aber keine verräterischen Details.
»Was hast du gefunden?«, fragte Sergh.
»Kein Treffer im primären Suchmuster«, meldete die Positronik. Das war zwar enttäuschend, aber so viel hatte Sergh der Funkmeldung bereits entnommen. Die Bildauswertung, die auf alle im Palast eingehenden Daten von Überwachungskameras, aber auch Überflugdaten Zugriff hatte, hatte also in den vergangenen zwölf Jahren keine Übereinstimmung mit der Beschreibung ergeben, die Sergh von dem Mann gegeben hatte. Der Fremde war ihm begegnet, bevor der Regent Sergh zu sich gerufen hatte. Er hatte ihm den Ring gegeben, den er jetzt, im Dämmerlicht des Sensorfelds, betrachtete, und ihm eine große Zukunft prophezeit. In einem Moment, in dem Sergh so verzweifelt gewesen war, dass er in der Wüste den Tod gesucht hatte.
Vielleicht hatte Sergh den Mann zu ungenau beschrieben. Etwas größer als er selbst, von innen heraus metallisch leuchtend, eine durchtrainierte Erscheinung mit harten Gesichtszügen. Möglicherweise ein Arkonide von irgendeiner Kolonialwelt, obwohl Sergh das bezweifelte.
»Ein unidentifiziertes Muster im bevorzugten Suchgebiet«, fuhr die Positronik fort.
»Holodarstellung.«
Die Karte zeigte nichts als die Wüste, die die Naats Draiat nannten. Die nächste Siedlung war über einhundert Kilometer entfernt. Dort, mitten im Nichts, war Sergh dem Mann begegnet, der seine Schritte auf die Bahn gesetzt hatte, die ihn zur Hand des Regenten gemacht hatte. Seine Augen tränten.
»Was bedeutet das grüne Rasterfeld?«
»Dort wurden fünfdimensionale Impulse angemessen.«
»Details.«
»Die Strahlung trat vor vierunddreißig Tontas auf und hielt achtzig Zentitontas an. Eine genauere Ortung als die optisch angezeigte ist unmöglich.«
Das Raster bezeichnete eine Fläche von fünf Quadratkilometern totem Wüstenboden. »Strahlungsquelle?«
»Unbekannt. Im Ausschlussverfahren wurden alle bekannten Quellen eliminiert.«
Sergh lehnte sich zurück. Er drehte den Ring an seinem Finger. Eigentlich war er wegen der Naats gekommen. Dass ausgerechnet jetzt sein Suchprogramm eine Entdeckung machte ... Er war kein abergläubischer Mann. Für da Gonozals peinliche Annahme, Xisrapen seien die Seelen bedeutender Arkoniden, hatte er noch nicht einmal ein Lachen übrig.
Andererseits hatte er in der jüngsten Vergangenheit allerlei Dinge gesehen, die auch ein rationaler Arkonide als Wunder bezeichnen konnte. Crysalgiras Garten tief unter dem Inselkontinent Ghewanal auf Artekh 17. Und erst recht der Zellaktivator, den ihm der Mann gegeben hatte, der sich Atlan da Gonozal nannte. Das eiförmige Gerät versprach das ewige Leben. Sergh hatte Geschenken noch nie getraut und den Aktivator seinem Gehilfen Stiqs Bahroff umgehängt. Mit Bahroffs Verrat war der Aktivator zurück in die Hände Atlan da Gonozals gelangt.
Damit verglichen war ein solcher Zufall unspektakulär. Wenn es überhaupt ein Zufall war, denn über die Fähigkeiten eines Mannes, der offensichtlich ohne Schutzkleidung längere Zeit in der Wüste überlebte und ihm diesen Ring geschenkt hatte, der sich jeder Analyse entzog, konnte Sergh noch nicht einmal spekulieren.
Durfte er sich die Hoffnung erlauben, während seines Besuchs auch bei der Suche nach dem geheimnisvollen Mann an sein Ziel zu kommen? Oder war das verwegen?
Es spielte keine Rolle. Er wusste, dass ihm diese Meldung keine Ruhe lassen würde. Die Positronik hatte ein ungewöhnliches Vorkommnis identifiziert, das Phänomen
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