058 – Das Gift des Rings
Wahrheiten braucht er mich, sagt er. Arkoniden sind sehr schlau, aber selten weise. Sie spielen das Spiel der Kelche und begreifen nicht, dass in allen Kelchen Gift ist. Manches, das schnell wirkt, sofort tötet, vernichtet, zersetzt. Anderes, das süchtig macht und einen ganz langsam umbringt.
Ich frage ihn, was das ist, süchtig sein.
Er sagt, dass ich wirklich glücklich bin.
Ich gebe einen traurigen Duft ab. Er versteht mich nicht.
Ihin da Achran brachte ihren Helm an Thetas, sodass die Berührung die Schallwellen übertrug. »Glaubst du, unser Ausflug im Vakuum wird kein Aufsehen erregen, Kindchen?«
»Weniger, als wenn wir uns unter einem Schallisolierungsfeld unterhalten würden. Außerdem ist Peshteers Atmosphäre sogar atembar, wenn auch noch dünner als die auf Naat.«
Die beiden Frauen befanden sich unmittelbar neben TARRAS'GOLL. In einem Gefahrenfall hätte der Schutzschirm der Station sie vor Angriffen oder Meteoriten bewahrt. Ihin schauderte bei der Erinnerung an deren Einschlag. Die Vidprogramme auf Naat unterlagen der arkonidischen Zensur, aber trotzdem hatten die Bilder von Häusern, die durch das Beben eingestürzt waren, ihren Weg in die Nachrichtenstreams gefunden. Hier jedoch wirkte der Sternenhimmel trügerisch friedlich. Die Himmelslichter wurden kaum verzerrt. Irgendwo da draußen zog Bhedan seine Bahn, der elfte Planet des Systems. Dort wartete der Tross auf sie.
Nicht, dass ihr gefallen hätte, dass er nun dem Regenten gehörte, aber dort kannte sie sich aus. Dass Sergh da Teffron ihr noch mehr Hass entgegenbrachte als den meisten anderen Hochadligen, war kein Geheimnis. Was sie von ter Marisol, dem Gouverneur, halten sollte, wusste sie nicht. Seine Frau schien nett zu sein, und seine Tochter war zauberhaft. Dass solch ein Eindruck von Harmlosigkeit täuschen konnte, bewies Theta. Gerade einmal zweiundzwanzig Jahre alt und doch ehrgeizig genug, um sich einen Platz im Bett der Hand des Regenten zu erkämpfen.
»Was hast du mir zu berichten?«
»Sergh umsorgt mich wundervoll«, plapperte Theta los. »Manchmal muss ich ihn bremsen. Er hat einem Schneider die Finger brechen lassen, weil mir das Kleid nicht gefiel, das er für mich angefertigt hat.«
»Offenbar ist er nicht zu jedem so nett wie zu dir. Ich schätze, die Antigraveinheit meines Kampfanzugs hatte eigentlich keine Fehlfunktion.«
»Doch.« Theta kicherte. »Nachdem Sergh dafür gesorgt hat. Er hat sich köstlich darüber amüsiert, als du wie ein auf den Rücken gedrehter Käfer gezappelt hast.«
Ihin lächelte säuerlich. »Wir wollen ihm seine infantilen Späße gönnen, auch wenn die Rudergängerin mehr Respekt für ihre Mühen erwarten dürfte.«
»Da geht es dir wie Sergh! Stell dir vor, wie viel er zu tun hat! Jetzt, da der Regent die Gefahr durch die Methans verkündet hat! Es gibt Welten, die spielen völlig verrückt, auch wenn hier im Arkon-System alles ruhig ist. Ein paar Adlige glauben, der Regent will einfach nur einen Vorwand, um die Außenwelten und die Mehandor fester an das Imperium zu binden. Manche denken, er geht zu weit.«
»Nichts als großspurige Reden der üblichen Verdächtigen, die immer dabei sind, wenn man sich produzieren kann.« Ihin hatte einige Emporkömmlinge vor Augen, die es niemals zu etwas gebracht hätten, wenn nicht ein Gutteil der Elite Arkons vor zwölf Jahren mit den drei Schlachtschiffen des Imperators spurlos verschwunden wäre. »Für die meisten Arkoniden ist unvorstellbar, dass außerhalb ihres Heimatsystems etwas von Bedeutung geschehen könnte. Man hält sich schon für staatstragend, wenn man seine Zeit nicht mit Fiktivspielen, sondern mit Theaterbesuchen auf Arkon II verplempert.«
»Und stell dir vor, genau dahin werde ich jetzt reisen! Ich bin sogar spät dran, meine Fähre bringt mich in zwei Tontas zu einem Kreuzer mit Kurs auf das Systeminnere, und ich muss noch packen.«
»Eine überschwängliche Garderobe hast du ja nicht gerade.«
»Im Vergleich zu dir, meinst du?«, neckte Theta.
Sie war wirklich ein Phänomen. Ihin hätte nicht benennen können, was sie so besonders machte. Dennoch spürte jeder in Thetas Nähe den unwiderstehlichen Drang, die junge Frau kennenzulernen und ihre Ansichten über die Sternengötter und die verlassenste Vakuumwelt zu hören. Vielleicht lag das an der Lebenslust und der Offenheit, die sie ausstrahlte. Man musste sie lange kennen, um zu wissen, dass auch sie ihre Geheimnisse hatte. Einen Teil ihres Geschicks rechnete sich
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