058 – Das Gift des Rings
ihnen hatte einen Durchmesser von zehn Metern. Der Boden bestand aus rauem rotem Stein. Die scharfen Bruchkanten hätten Serghs Füße zerschnitten, wenn er keine Stiefel getragen hätte.
»Stellt euch zum Kampf!«
Obwohl es als Schwäche interpretiert werden mochte, schloss Sergh den Helm wieder. Hier im Freien peitschten die Sturmböen den Sand in sein Gesicht. Außerdem war er nicht so wahnsinnig, auf eine harte Schale zu verzichten, die seinen Schädel vor einer herabdonnernden Naatfaust schützen würde. Er überlegte, ob diese Titanen wohl genug Kraft hatten, um den Helm zu zertrümmern. Wenn sie sich ein bisschen Zeit dafür nahmen, bestimmt. Sergh versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass es ja nur darum ging, die Bänder der Ehre abzureißen und dass die beiden sicher vom aus der Großen Grube herüberwehenden Duft der Weibchen so berauscht waren, dass sie viel lieber zur Paarung schreiten wollten, als sich mit dem verhassten, ehemaligen Gouverneur zu beschäftigen.
Es gelang ihm nicht. Er zitterte, als er in den Kreis trat. Zumal sich Granaar und der andere Naat nebeneinander aufstellten und Sergh gegenüber. Konnte es einen deutlicheren Hinweis geben, auf wen sie es abgesehen hatten?
Siedend heiß fiel Sergh ein, dass der Anzug zwar schwer zu durchdringen war, vor allem die Energiezelle vor der Brust. Aber er war nicht dazu gedacht, seine Form bei kinetischem Druck zu wahren. Das war Aufgabe des Schutzschirms – den er nicht zur Verfügung hatte. Wenn einer der Naats ihn auf den Fels würfe, um dann fröhlich auf ihm herumzuspringen, würde man einen völlig zermatschten Sergh da Teffron aus einem völlig intakten Anzug schaben. Eine unangenehme Vorstellung.
»Kämpft!«, brüllten die Triumphatoren wie ein Mann. Die beiden Naats stürmten an.
Granaar machte den imposanteren Eindruck. Sergh sprang nach links, auf die Seite des anderen Angreifers.
Der erwischte ihn mit einem Rückhandhieb der Pranke.
Die Faust donnerte gegen die Energiezelle. Sergh fühlte alle Luft aus seiner Brust weichen. Die Wucht des Schlags schleuderte ihn zur Seite. Eine Sturmbö ergriff ihn. Er schlug außerhalb des Aktionsradius' seiner Gegner auf.
Das war ein großer Vorteil. Um sich auf Sergh stürzen zu können, wollte sich Granaar an dem anderen Naat vorbeidrängen. Dieser interpretierte den Rempler als Angriff auf sich selbst. Er griff zwischen die Lamellen von Granaars Rüstung, nutzte seinen Schwung aus, um ihn über den Kopf zu wuchten, und schmetterte ihn auf den Boden.
Granaar brüllte. Er trat seinem Gegner in die Knie.
Ächzend kam Sergh wieder auf die Füße, als sich Granaar mit seinem nun ebenfalls am Boden liegenden Kontrahenten wälzte. Während er über ihn rollte, glitt seine Linke zwischen das purpurfarbene Band des Gegners und dessen Hals. Ein Ruck, und er hatte es abgerissen.
Die Kampfeswut des anderen Naats erlosch jedoch nicht sogleich. Er schmetterte seine Fäuste in Granaars narbiges Gesicht.
Sergh sah seine Chance. Er sprang auf Granaars Rücken.
Blind griff er zwischen die Rüstungsteile, als Granaar versuchte, ihn abzuschütteln, dabei aber noch immer von dem anderen Naat behindert wurde.
Sergh riss sich in Richtung Kopf.
Da leuchtete das grüne Band! Es mochte sein, dass einige Reflexe aus seinem lange vergangenen Dagortraining noch in ihm steckten. Er bekam das Band zu fassen! Als Sergh es in seiner Faust spürte, ließ er sich einfach fallen.
Der Aufprall ließ alle Knochen in seinem Körper singen. Seine Sicht wurde schwarz.
Als sie sich klärte, ragte Granaar mit geballten Händen und gefletschten Fleischzähnen über ihm auf. Eine Narbe auf seiner Stirn pulsierte. Aber entscheidend war, dass er von seinem Band der Ehre entblößt war.
Das hielt Sergh noch immer in seiner Hand.
»Sergh da Teffron ist der Sieger des Tasburs von Luusok!«, rief der Sprecher der Triumphatoren.
Der Dämmerungssturm hatte sich gelegt, der Wind säuselte nur mehr über den Fels. Die Naats, die nicht am Tasbur teilgenommen hatten, kamen näher. Außer den Reportern waren auch viele Unterstützer für die Wettkämpfer dabei, erkenntlich an den Schals, deren Farbe zu den Bändern der Ehre ihres Favoriten passte. Serghs Rot trug keiner von ihnen.
Die Naats bildeten einen weiten Halbkreis vor der Großen Grube. Irgendwo ertönte ein unartikulierter Ruf. Schnell wurde er von der Menge aufgenommen. Ein Orkan hätte nicht mehr Getöse verursachen können. Fäuste reckten sich in den Himmel.
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