0581 - Wo Dämonen sterben ...
Stern.
Was Asmodis verfluchte, konnte Merlin segnen.
Kraft gegen Kraft.
»Der Richtige, endlich… vom Blute meines Vaters und mit der Kraft einer entarteten Sonne…«
Es war ein vielstimmiger Hauch.
Und ein unglaublich starkes Glücksgefühl.
Sterben… nicht schon wieder, nicht
noch einmal, sondern endlich zum letzten Mal!
Ein Fluch, Jahrhunderte alt, zerbrach.
Und zwei Gespenster schwanden dahin.
Ins Licht oder in die Schwärze?
Zamorra konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Er wußte nur, daß es vorbei war.
Auch die anderen hatten es begriffen, nur fand keiner eine richtige Erklärung dafür, daß sich Zamorra nicht mehr in der Gerichtsmedizin in Roanne befand, sondern vor der Loire-Brücke nahe St. Germain-Laval.
Aber Ruhe war eingekehrt.
Joel Wisslaire berührte mit den Fingern seine Lippen. Sie brannten wie von einem Feuerkuß, und in ihm hallte die Stimme Silvie Greks.
Als ich Silvie war, wußte ich nichts von alldem. Bis der Dämon im Fluß trieb, erschlagen, wie Asmodis ihn verfluchend zurückgelassen hatte, nachdem der Dämon mich erschlug…
Er schloß die Augen.
»Silvie«, flüsterte er. »Warum? Verdammt noch mal, warum du?«
Eine Hand lag auf seiner Schulter. »Komm«, sagte Ted Ewigk. »Reden wir miteinander. Vielleicht kann ich dir helfen. Sie hatte nie die Chance, ein Mensch zu sein, aber sie wußte es nicht. Du hast sie verloren, aber sie… sie hat alles gewonnen. Ihre Seele ist frei.«
Joel öffnete wieder die Augen. »Ach, scheren Sie sich doch zum Teufel, Ewigk!« knurrte er, dann wandte er sich zur Seite.
»Wie war das damals bei dir, Ted?« fragte er leise. »Kannst du mir davon erzählen? Verdammt, ja, hilf mir, Mann!«
Er sah zum Himmel hinauf.
Und schrie, bis er heiser war.
Und dann hörte er zu. Dem Mann, der sein Freund sein wollte.
***
»Erstaunlich, wie es manchmal spielt«, murmelte Zamorra später -sehr viel später. »Ich habe mit einer Menge gerechnet, aber nicht damit. Und schon gar nicht damit, daß eine solche Verschmelzung von Freunden und Feinden die Lösung des Problems sein könnte. Wir haben überhaupt nichts dazu getan.«
»Joel Wisslaires Problem ist damit auch noch nicht aus der Welt geschafft«, sagte Ewigk. »Und Staatsanwalt Merdefaire sitzt nach wie vor im Sattel. Die Odinsson-Akte reicht nicht aus, um ihn zu kippen. Und wenn er Joel Wisslaire am Zeug flicken kann…«
Zamorra zuckte mit den Schultern.
»Ich habe mich vorhin noch mal mit Charbon unterhalten«, sagte er. »Wisslaires Kollege Dent hat Silvie Greks Wohnung noch mal auf den Kopf gestellt. Und siehe da - es gab keine Spuren mehr, die auf einen gewaltsamen Tod hinweisen. Alles ist in Ordnung und blitzsauber. Es kann auch niemand zwischendurch aufgeräumt haben, weil das Polizeisiegel unversehrt ist. Charbon und Dent fassen ihre Berichte jetzt dahingehend ab, daß es keinen Mord gab. Da der Gerichtsmedizin auch keine Leiche vorliegt, haben sie gute Chancen, den Fall einfach ad acta legen zu können. Silvie Grek gilt als vermißt, das ist alles - so braucht die Gerichtsmedizin auch nicht den Verlust einer Leiche aktenkundig zu machen. Merdefaire wird das alles gar nicht gefallen, und Wisslaire wird künftig jede Menge Streß haben…«
»Oder auch nicht«, sagte Ted. »Jüngste Gerüchte murmeln, daß sich Wisslaire nach Lyon versetzen lassen will - und Merdefaire soll in einem seiner anscheinend regelmäßigen Wutanfälle dieses Versetzungsgesuch bereits gebilligt haben. Jetzt hängt's nur noch davon ab, ob in Lyon eine Planstelle frei ist.«
»Brunot wird sich freuen, wenn er seinen alten Freund jetzt als Kollegen bekommt«, sagte Zamorra.
Er deutete auf Ted und auf Tendyke.
»Und jetzt haben wir noch einen Grund mehr, die ›Zweites Leben-Feier‹ noch wesentlich gründlicher nachzuholen, nämlich euch beide. Aber diesmal machen wir das im Château, am Swimming-Pool. Da können wenigstens keine toten Dämonen stromaufwärts treiben…«
Irgendwann am späten Abend, im Fackelschein, zupfte Fooly an Zamorras T-Shirt. »Chef«, krächzte er, während aus den Nüstern Rauch aufstieg. »Auf eine Sache hast du noch keine Antwort gefunden, Professor.«
»Und die wäre?« fragte Zamorra.
»Warum aus der bösen Asche ein Baum wurde…«
Und da begann Zamorra zu ahnen, daß die Geschichte vielleicht noch nicht ganz ausgestanden war…
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 579 »Die Sturmrösser von Khe-She«, Professor Zamorra Nr. 580 »Der Fluch der Totengeister«
[2]
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