0582 - Der Totenbaum
ich den Mann berührt, als ich mich gegen ihn verteidigen mußte. Seinen Ärmel, vielleicht seinen Unterarm, seine Hand - und seinen Nacken, als ich ihn betäubt habe.«
»Dann solltest du erst mal genau prüfen, ob du dich nicht mit irgend etwas infiziert hast. Möglicherweise hast du was abbekommen von dem Zeug, das unseren Freund hier so verändert hat.«
Zamorra betrachte seine Hände.
»Du hast recht«, murmelte er.
»Ich mache das«, bot Nicole an.
»Reiß lieber den zweiten Assistenten aus seiner Arbeit«, schlug Robin vor. »Der kann dann gleichzeitig noch als Zeuge fungieren für… für das hier. Uns glaubt das nämlich garantiert keiner. Außerdem können wir dann feststellen, ob er sich vielleicht ebenfalls infiziert hat. Pflanzenfasern… verdammt, jetzt ergibt Mathieus Obduktionsbefund langsam einen Sinn. Die Leichen, wie von Wurzelsträngen durchbohrt und durchzogen…«
Er verstummte.
Statt sich weiter aufzuregen, versuchte er etwas von der Rinde am Körper des Bewußtlosen zu lösen.
Als es abbrach, ging ein heftiges Zucken durch den Bewußtlosen, und er gab ein erschreckendes Röcheln von sich, allerdings ohne zu erwachen.
Unter dem abgelösten Borkenstück sickerte eine dunkle, zähe Flüssigkeit hervor.
»Was, zum Teufel, ist denn das?« murmelte der Chefinspektor.
»Fang du jetzt nicht auch noch an, den Teufel anzurufen. Damit ging es bei dem Rindenmann auch los.«
Zamorra beugte sich über den Assistenten.
Mit behandschuhten Finger strich Robin leicht durch die zähe Flüssigkeit, die daran haften blieb wie Klebstoff.
»Blut? Dämonenblut?«
»Eher Harz«, meinte Zamorra, »aber Harz, das keine normale Färbung hat. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem.«
Er erhob sich wieder und griff nach dem Obduktionsbericht.
Darin war von einer Verändefung des Blutes nicht die Rede, auch nicht von einer anderen Flüssigkeit, die sich in den Körpern der Toten befunden hatte. Auch Rindenbildung auf der Haut war nicht vermerkt.
Hatten die Leichen gar nichts mit dieser merkwürdigen Verwandlung zu tun?
»Schau dir das an…«, flüsterte Robin erschüttert.
Er hatte den rechten Arm des Assistenten angehoben und zeigte Zamorra die Handfläche.
Aus ihr wuchsen hauchdünne, weißliche Fäden hervor, die sich an den Enden ein wenig verästelten.
Luftwurzeln…?
Zamorra suchte nach dem Dhyarra-Kristall, der ihm vorhin entfallen war, weil ihn der Assistent angegriffen hatte.
Mit der Energie des Sternensteins hatte er die präparierte Faser auf dem Probierglas wachsen gelassen.
Vielleicht ließ sich ein derartiger Vorgang auch wieder rückgängig machen.
Er mußte es versuchen. Er mußte diesem armen Teufel helfen…
Armer Teufel? echote es hinter seiner Stirn. Jetzt fange ich auch schon damit an…
Aber er selbst fühlte sich nicht anders als zuvor. Bei dem Bewußtlosen jedoch konnte er eine schwache, negative Aura wahrnehmen. Vor seinem Experiment beziehungsweise vor dem Kampf war sie ihm nicht aufgefallen. Aber die Negativaura dessen, was auf dem Probierglas so seltsam gewachsen war, hatte er ja vorhin auch nicht registriert.
Sollte er mit seinem Versuch auch die Verwandlung dieses Mannes ausgelöst haben? Bestand eine gegenseitige Wechselwirkung zwischen der Faser und dem, was sich in dem Assistenten festgesetzt hatte?
Wie auch immer - er mußte versuchen, es zu bekämpfen.
***
Aber Zamorra kam nicht sofort dazu, weil Nicole mit dem zweiten Assistenten jetzt auftauchte. Der Kerl war zunächst ziemlich ungehalten darüber, daß man ihn bei seiner Arbeit gestört hatte.
»Als ob's nicht genug wäre, daß Mathieu heute so früh Feierabend gemacht hat. Hat uns mit dem ganzen verdammten Kram allein gelassen… Hat sich auch nur um seine beiden speziellen Freunde gekümmert…«
Damit meinte er die zwei Leichen.
In dem Moment erblickte er seinen Kollegen, der reglos am Boden lag und ziemlich verändert aussah.
»Was - was hat das zu bedeuten?«
»Das wollen wir gerade herausfinden! Nebenbei werden wir auch Sie überprüfen müssen, ob Sie mit diesem Keim infiziert sind.« Robin musterte ihn scharf.
»Keim? Was soll das für eine Krankheit sein, die die Haut eines Menschen in Baumrinde verwandelt, he? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
Zamorra streckte ihm die Hände entgegen.
»Untersuchen Sie erst mal mich. Können Sie feststellen, ob ich Verletzungen aufweise, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind? Und ob Fasern von Pflanzen, wie sie Dr. Mathieu heute aus den
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