059 - Das Experiment
Boden.
»Sag deinen Männern, dass sie sich ergeben sollen!«, forderte Aruula mit schneidender Stimme, doch selbst wenn Skurog der Aufforderung nachgekommen wäre, so hätte es nicht viel genutzt. Die allgemeine Verwirrung war zu groß, um die Steppenreiter zu disziplinieren.
Zum Glück waren die meisten Barbaren längst außer Gefecht gesetzt. Erst lautes Kindergeschrei machte Matt auf das letzte Widerstandsnest aufmerksam. Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken, als er sah, wie ein Steppenreiter mitten unter die Mendriten sprang. Es handelte sich um Rayy, der mit seinem erbeuteten Schallgewehr wie besessen um sich schlug. Die Mädchen und Jungen spritzten entsetzt auseinander, bis auf einen Halbwüchsigen, den er am Hals packte und wie einen lebenden Schutzschild in die Höhe zerrte.
Rayy schien es auf diesen Mendriten besonders abgesehen zu haben, denn er brüllte immer wieder: »Du bist an allem Schuld, kleiner Dreckskerl! Das sollst du büßen!«
Wut und Hass verzerrten sein Gesicht zu einer teuflischen Grimasse, während er die Gewehrmündung unter das Kinn des Mendriten drückte. Defensivwaffe oder nicht, nun bedurfte es nur eines nervösen Fingerzuckens, um den Jungen zu enthaupten.
Der allgemeine Triumph der Hydriten brach in sich zusammen. Obwohl sie im Rest der Höhle den Sieg davongetragen hatten, ließen sie entsetzt die Waffen sinken. Nur Joshna behielt Rayy fest im Visier. Die verschlungenen Tätowierungen auf seinem kahlen Schädel traten hervor, als würden sie zum Leben erwachen, doch obwohl er am ganzen Leib vor Zorn bebte, wagte auch er nicht zu feuern. Zu groß war die Gefahr, den Mendriten mit in den Tod zu reißen.
Stille breitete sich aus, gefolgt von tiefer Betroffenheit.
»Lass Topi'ko in Frieden!«, blaffte Blair, die Nosfera den Barbaren an. »Der Junge kann dir auch nicht mehr helfen. Du siehst doch, dass wir verloren haben!«
»Halts Maul«, gab Rayy eisig zurück. Ein kurzes Aufflackern seiner Augen bewies, dass seine Nerven kurz vor dem Zerreißen standen. »Die Fischköpfe tun alles, um ihre Missgeburten zu retten. Deshalb werden sie sich jetzt auch brav zurückziehen und Skurogs Forderungen erfüllen.«
»Nein!« Ul'ia hatte in normaler Lautstärke gesprochen, trotzdem hallte ihre Antwort wie ein Donnerschlag von den Felswänden wider. Alle Blicke richteten sich auf die OBERSTE, die zwischen Menschen und Hydriten hervortrat, um Rayy bei den nächsten Worten fest in die Augen zu sehen. »Die Existenz von Sub'Sisco muss unter allen Umständen geheim bleiben, egal welches Opfer es kosten mag. Selbst wenn es das Leben eines unserer Kinder ist!«
Matt konnte kaum glauben, was er da hörte, doch die bebende Stimme der OBERSTEN bewies, dass sie es ernst meinte. Auch wenn die Entscheidung allen schwer fiel, auf ein Handzeichen von ihr hoben bewaffneten Hydriten und Fischer die Waffen.
Rayy brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass er mit seinen Forderungen auf Granit biss. Doch statt endlich aufzugeben, fletschte er nur mit den Zähnen. »Also gut!«, krächzte er. »Wenn es dem brennenden Mann gefällt, werden wir eben alle in Rauch aufgehen. Aber zuvor will ich ihm noch ein schönes Opfer bringen.«
Rayys Armmuskeln spannten sich. Ein deutliches Zeichen, dass er den langen Abzugsbügel des Schallgewehres durchreißen wollte. Niemand war nahe genug, um ihn davon abzuhalten.
Niemand außer Blair.
Einen silbrigen Reflex unter dem Umhang hervorzaubernd, trat sie auf den Barbaren zu.
Als Rayy das Messer in ihrer Hand sah, schwenkte er instinktiv den Gewehrlauf nach vorn, um auf sie zu feuern, doch Blair war schneller. Ein kampflustiges Fauchen auf den Lippen, ließ sie die Klinge durch die Luft zischen.
Die glänzende Schneide schien Rayys Hals zu verfehlen. Erst als er vor Schmerz aufschreien wollte, wurde die rote Linie sichtbar, die plötzlich über seine Kehle lief. Röchelnd taumelte er zurück, die Augen unnatürlich geweitet.
Blair ignorierte seinen Versuch, auf sie anzulegen. Todesmutig setzte sie nach, stach in die Hand, die Topi'ko umklammerte, und wand den Mendriten aus Rayys erschlaffenden Griff. Es musste eine Art Mutterinstinkt sein, der in ihr erwacht war, denn sie kämpfte mit der Wildheit einer Lupa, die ihr Junges verteidigte. Mit einem schnellen Ruck riss sie Topi'ko an sich, schwenkte ihn herum und setzte ihn zu Boden.
»Lauf weg, schnell!«, forderte sie. Der verängstigte Junge gehorchte aufs Wort. Mit schnellen Sprüngen rannte er den
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