059 - Das Experiment
bewaffneten Hydriten entgegen, die atemlos das Geschehen verfolgten, ohne selbst eingreifen zu können. Selbst jetzt konnten sie nicht schießen, ohne Blair zu gefährden.
Die Nosfera dachte aber nicht daran, aus dem Weg zu gehen. Im Gegenteil. Sie wirbelte herum, um Topi'kos Flucht mit dem eigenen Körper zu decken. Mit vorgehaltenem Messer trat sie Rayy entgegen, doch die Atemnot zwang den Barbaren längst in die Knie.
Einen roten Sprühregen nach sich ziehend, kippte er hinten über, das Schalldruckgewehr immer noch fest umklammert. Bereits dem Tode nahe, brachte er noch die Kraft auf, den Abzug durchzuziehen.
Die Waffe bäumte sich auf; komprimierte Luft donnerte aus der Mündung hervor. Selbst Matt erkannte sofort, dass der Wahlschalter auf maximalem Druck stand. Es war, als hätte der Barbar einen Sturm entfesselt. Mit brachialer Gewalt hämmerte die geballte Ladung in die poröse Steindecke. Ungeachtet des einsetzenden Splitterregens krampfte sich die Hand des Sterbenden weiter um den Abzug. Schallwelle auf Schallwelle jagte empor und ließ die Decke erbeben.
Jeder, der noch bei Bewusstsein war, drängte instinktiv zurück. Nur weg von dem bedrohlichen Grollen, das plötzlich von allen Seiten auf sie eindrang. Blair wollte ebenfalls fliehen, doch einsetzender Steinhagel traf sie an Kopf und Schultern. Benommen taumelte sie zur Seite, tiefer ins Höhleninnere.
Herabbrechende Deckenstücke schnitten ihr den Rückweg ab.
»Alles raus hier!«, befahl Ul'ia. »Nehmt so viele Gefangene mit, wie ihr tragen könnt.«
Tatsächlich packten Hydriten und Fischer die ausgeknockten Steppenreiter am Fellkragen, bevor sie zu den Seitengängen stürmten. Nur Blair und Rayy waren zu weit entfernt, um in Sicherheit gezogen zu werden. Die Nosfera hatte inzwischen die Orientierung wiedergefunden und versuchte ins Freie zu kommen, doch die Decke über ihr war dem Dauerbeschuss nicht mehr gewachsen. Immer mehr Gestein brach herab und drohte sie zu erschlagen. Blind vor Staub und Schmerzen erkannte sie nicht, dass sie geradewegs in ihr Unglück stolperte.
Matt und einige andere schrien auf, um sie zu warnen, doch ein anwachsendes Grollen übertönte ihre Worte. Da schoss ein menschlicher Schatten auf die gefährdete Stelle zu.
Aiko!
Die Plysterox-Arme schützend über den Kopf geschlagen, stürmte er einfach durch das herabbrechende Gestein, packte die Nosfera an der Hüfte und schleuderte sie in den rückwärtigen Teil der Höhle. Eine Sekunde später brach hinter den beiden endgültig alles zusammen.
Rayys Körper wurde von Felsbrocken zerschmettert. Danach wallte eine Staubwolke durch die Höhle, die auch den Letzten nach draußen trieb. Feinste Körnchen fanden ihren Weg durch die zusammengekniffenen Lider und reizten Matts Bindehaut. Mit tränenden Augen schloss er sich den Flüchtlingen an, die sich vor den engen Seitengängen stauten.
Keuchend und hustend ging es durch den Eingangstunnel hinaus auf die Klippen. Die beiden Steppenreiter, die hier noch auf Posten gestanden hatten, waren längst überwältigt worden. Frische Seeluft linderte das Brennen in Matts Lungenflügeln, die sich anfühlten, als ob er gemahlene Glassplitter eingeatmet hätte.
Instinktiv suchte er die Nähe zu Aruula, die ihn sofort in die Arme schloss. »Wie konnte das nur geschehen?«, fragte sie geschockt. »Aiko, ist er… ?«
»So schnell ist er nicht kleinzukriegen«, munterte Matt sie auf. »Wir müssen so schnell wie möglich wieder hinein und nach ihm suchen.«
Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch das allgemeine Chaos, um Clay und Ul'ia zu suchen. Die beiden Ratsmitglieder sicherten auch sofort Hilfe zu. »Zuerst müssen unsere Krieger aber die Steppenreiter fortschaffen«, schränkte die OBERSTE mit Blick auf die Barbaren ein, die überall bewusstlos umher lagen. »Je weniger sie von Sub'Sisco zu sehen bekommen, desto besser für uns alle. Bis sich der Staub in der Höhle gelegt hat, stehen aber mehr Fischer zur Verfügung, als euch bei der Bergung helfen können.«
»Was habt ihr mit den Steppenreitern vor?«, fragte Matt besorgt.
»Ihnen wird kein Haar gekrümmt«, versicherte Ul'ia lächelnd, »aber wir können sie nicht zu den Clans zurückkehren lassen. Das wäre das Ende unseres friedlichen Zusammenlebens. Deshalb erwartet sie dasselbe Schicksal wie alle Plünderer, die Sub'Sisco heimsuchen: Wir schaffen sie auf einen anderen Kontinent und setzten sie dort in der Fremde aus. Den Städten der Meera-See können die
Weitere Kostenlose Bücher