Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
059 - Das Experiment

059 - Das Experiment

Titel: 059 - Das Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
vor, den Hydriten bei der Lösung des anstehenden Rätsels nach besten Kräften behilflich zu sein. Vielleicht war dann doch nicht alles vergebens gewesen.
    »Du glaubst also, wir können die Abkürzung zum Kratersee vergessen?«, nahm er den abgerissenen Gesprächsfaden auf.
    »Nicht gleich so trüb sehen«, riet die Hydritin. »Die Entscheidung für die Passage obliegt dem Tribunal, und den OBERSTEN der anderen Städte sind deine Taten in Hykton sehr wohl bekannt. Allerdings wird es sicherlich erst eine Untersuchung wegen der defekten Transportröhre geben…«
    ... und die kann sich lange hinziehen, vollendete Matt in Gedanken. Ihm war der hydritische Hang zum Bürokratismus wohl bekannt.
    Ul'ia blieb nicht verborgen, dass er die Stirn in Falten legte. »Eigentlich hoffe ich sogar, dass dir der OBERSTE von Qytor die Reise ausredet«, gestand sie plötzlich.
    Matt und Aruula waren nicht minder verblüfft als Clay, der ein lautes Keuchen ausstieß.
    »Warum das denn?«, fragten alle drei wie aus einem Munde.
    Der Tross erreichte das Hydrosseum, eine hoch aufragende Korallensphäre mit den Ausmaßen eines kleinen Football-Stadions. Auf dem ersten Blick ähnelte es den wissenschaftlichen und politischen Zentren, die Matt aus den Atlantik-Städten kannte, doch natürlich waren die Eingänge ebenerdig angebracht, damit man sie problemlos zu Fuß betreten konnte.
    »Kommt mit hinein«, bat Ul'ia, »dort könnt ihr sehen, was ich meine.«
    Innen herrschten zwar die überwiegend runden Formen der Unterwasserstädte vor, doch auch hier zollte die Architektur dem Umstand Tribut, dass es kein Wasser gab, durch das man bequem in höhere Etagen tauchen konnte. Daher führten weit geschwungene Treppen in den ersten Stock, zu den Laboratorien der Wissenschaftler.
    Statt hinauf zu gehen, geleitete Ul'ia ihre Gäste feierlich durch die Eingangshalle. Vo rbei an zahlreichen Boden- und Wandfresken, die die Geschichte der Hydriten erzählten, steuerte sie eine Stelle an, die wie ein schmutziger Fleck inmitten des farbenfrohen Bilderteppichs wirkte.
    Matt machte erst einen ungünstigen Lichteinfall für den Farbunterschied verantwortlich, bemerkte aber beim Nähertreten, dass dieses Motiv nicht aus Muscheln, Perlen und bun39 ten Korallenstücken bestand, sondern aus grau schattierten Lavabrocken. Von einem unguten Gefühl erfüllt, ließ er die Bildfolge auf sich einwirken.
    Er erkannte einen feurig umhüllten Kometen, der auf die Erde niederfiel. Zweifellos
    »Christopher-Floyd«, die Geißel der Menschheit. Oder, wenn man es aus der Sicht der Hydriten betrachtete, Ei'dons Geschenk, das die Dominanz der Landbewohner gebrochen und ihnen so die Rückkehr aus den dunklen Tiefen der Ozeane heim an die lichtdurchfluteten Küstenstreifen ermöglicht hatte.
    Das Mosaik zeigte allerdings keine paradiesischen Zustände, sondern eher ein Kapitel aus der Apokalypse.
    Angriffslustige Kampfrochen bewachten einen lichtlosen Schlund, der ins Nichts zu führen schien. Einige stilisierte Hydriten flohen vor den Bestien; andere, die sich zu weit ins Unbekannte vorgewagt hatten, verschmolzen mit der Dunkelheit, aus der es kein Entrinnen mehr gab.
    Das Reich der Todes-Man'tane, raunte es hinter Matts Stirn. Das war keine eigene Assoziation, sondern eine geistige Botschaft, die automatisch beim Bildbetrachter ausgelöst wurde. Auf diese Weise gaben die Hydriten ihre Geschichte weiter.
    »Der Kometeneinschlag hat nicht nur die Nation zerstört, die ihr Russland nanntet, sondern auch weite Teile des vor der Küste gelegenen Kontinentalschelfs«, erklärte die OBERSTE. »Dem Chaos folgte eine Zeit des Wiederaufbaus, in der mein Volk damit beschäftigt war, sein Überleben zu sichern. Erst vierzehn Rotationen nach der Katastrophe machte sich eine Expedition auf, um das neu entstandene Meer zu erforschen. Keiner der beteiligten Beobachter kehrte je zurück.«
    Die Hydritin machte eine dramatische Pause, um den letzten Satz wirken zu lassen, bevor sie fortfuhr: »Die ausgeschickten Suchtrupps scheiterten kurze Zeit später an aggressiven Man'tanen, die zwischen den heutigen Inseln Rula und Köre patrouillierten. Diese Rudel zu bekämpfen kostete viele Opfer, und jene, die sie überwanden, hat der Sieg nicht glücklich gemacht. Denn tief unten, im Zentrum des Sees, lauert das Böse, und wer ihm ins Gesicht sieht, verliert den Verstand.«
    Matt spürte einen Kloß in seinem Hals. Er schluckte hart, um die Kehle freizubekommen, trotzdem klang seine Stimme kratzig,

Weitere Kostenlose Bücher