059 - Der Preller
beiden zu. Sie waren im Begriff vorüberzugehen, als der eine plötzlich seinen Schritt verhielt.
»Donnerwetter!« rief er aus. »Ist das nicht Bessie Maccall?!«
»Meinst du unsere Kusine?« fragte der zweite neugierig.
»Natürlich ist sie es«, bekräftigte nun auch der dritte, Sandy. Er war Schotte, und als solcher besonders geeignet, den Verwandten einer Schottin zu spielen. »Wie geht's dir denn, Bessie? Kennst du mich nicht mehr? Sandy Maccall?«
»Nein, ich erinnere mich wirklich nicht«, entgegnete Bessie lächelnd. »Sie sind wirklich meine Vettern?«
»Jawohl, wir alle drei.« Es klang wie ein Sprechchor, als die drei jungen Leute gleichzeitig die Verwandtschaft bestätigten.
»So ein Zufall, hier unsere Kusine Bessie zu treffen.«
Das junge Mädchen freute sich über die Begegnung, obwohl sie nicht einen einzigen der so unvermutet aufgetauchten Verwandten wiedererkannte. Nur Baltimore Jones teilte diese Freude nicht. Nervös fingerte er an seinem Schnurrbart herum und musterte die drei Neuankömmlinge mit mißtrauischen Blicken.
»Eure Gesichter kommen mir wirklich nicht bekannt vor, aber ich muß ja, als ich euch zum letztenmal sah, noch ganz klein gewesen sein«, fuhr Bessie, schon zutraulicher geworden, fort.
»Ich weiß, wo du uns zuletzt gesehen hast«, sagte Anthony. »Es war in Stirling. Ich erinnere mich noch ganz genau an dich, denn ich vergesse ein Gesicht niemals. Wann hast du sie denn zuletzt gesehen, Sandy?« wandte er sich an ihn.
»Sie war noch ganz klein«, log Sandy tapfer. »Ich wollte sie in Glasgow besuchen, aber sie hatte sich während der Ferien nach Blackpool begeben. Wie lange mag das schon her sein?«
»Das war vor vier Jahren«, half ihm das Mädchen. »So ein Zufall! Kennt ihr Mr. Jones?« fragte sie die drei.
Sie verbeugten sich höflich, und Mr. Jones erwiderte die Verbeugung. Sie fragten ihn, wie es ihm ginge, und Mr. Jones erwiderte »gut«; dann sprach er die Hoffnung aus, daß auch sie sich wohl befänden, ohne diesen Wunsch wirklich zu empfinden.
»Komm, Bessie, wir müssen einsteigen«, wandte er sich an seine Begleiterin.
»Wo wollt ihr denn hin?« erkundigte sich der Preller.
»Nach Madrid«, gab die ›Kusine‹ Auskunft. »Mr. Jones hatte die Liebenswürdigkeit, mir anzubieten, mich nach London zu begleiten.«
»Mit diesem Zug?« rief Anthony erstaunt. »Merkwürdig, wir wollen ihn nämlich ebenfalls benutzen.«
Bessie freute sich aufrichtig.
»Großartig!« rief sie aus. »Das klappt aber gut.«
Baltimore Jones zerbarst beinahe vor Wut, ließ sich aber nichts anmerken. Er schritt mit dem Mädchen einige Meter voraus, während die drei ›Vettern‹ ihnen folgten.
»Kennen Sie die drei Kerle?« fragte er Bessie leise.
»Ob ich sie kenne? Nein, das nicht, aber sie sind meine Vettern.«
»Wie können Sie das behaupten?« fragte er erregt.
»Wie ich das behaupten kann? Welch komische Frage?« Sie lachte. »Natürlich sind sie meine Vettern. Sonst würden sie doch nichts von meiner Tante Maggie wissen und sich auch nicht erinnern können, daß ich vor vier Jahren während meiner Ferien in Blackpool war.«
Mr. Jones schwieg. Er führte sie in den Schlafwagen, während die anderen ihre Plätze im gleichen Waggon einnahmen. Der Zug war nur wenig besetzt, so daß sich Anthony zwei Abteile reservieren lassen konnte.
»Ich will mal sehen, wie du untergebracht bist, Bessie«, sagte er zu seiner ›Kusine‹.
»Lassen Sie nur«, mischte sich Baltimore Jones ein. »Ich habe für die junge Dame alles bestens erledigt.«
»Wirklich zu gütig von Ihnen«, bedankte sich Anthony, drängte aber den vor Zorn bebenden Mr. Jones zur Seite und begleitete das vom Luxus des Abteils sichtlich überraschte Mädchen.
»Nicht wahr, das ist schön«, meinte Anthony. »Und du kannst ganz allein in diesem Abteil wohnen.«
»Ich kenne mich in diesen Dingen gar nicht aus«, meinte das junge Mädchen. »Es wird schon seine Richtigkeit haben. Mr. Jones hat alles für mich geregelt.«
Jones befand sich neben Anthony, als dieser sich ihm zuwandte: »Sie hat doch das Abteil allein, nicht wahr?«
»Ich glaube, ja«, gab der andere widerwillig zu.
»Wie lange wirst du denn in Madrid bleiben, Bessie«, fragte Anthony die neuerworbene Verwandte.
»Wir fahren durch«, erklärte sie.
»Mit diesem Zug kannst du das nicht«, belehrte sie Anthony.
»Erst am nächsten Tag gibt es Anschluß. Du wirst eine Nacht in Madrid bleiben müssen, was dir Mr. Jones bestätigen wird.«
Sie
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