059 - Der Preller
Regina Christina nach Kräften langweilte. Erst als Sandy sich seinem Sitzplatz näherte, blickte Paul auf, und ein Ausdruck von Interesse huschte über sein Gesicht, als er den Dritten im Bund willkommen hieß.
»Der letzte Dampfer von Gibraltar ist eben angekommen«, meldete Sandy. »Der Chef dürfte an Bord sein. Etwas Besonderes?«
»Das weiß ich nicht, Sandy«, gab Paul zurück. »Er fuhr hinüber, um die Sache, die da zwischen Baltimore Jones und Miss Agatha Maccall spielt, genauer zu untersuchen.«
»Ach so, die Gouvernante?«
»Ja«, beschied ihn der andere kurz.
»Ich bin jetzt genauso klug wie vorher«, meinte Sandy und entfernte sich.
Wenige Augenblicke später erhob sich Paul, um seinem Chef entgegenzugehen. Der Preller schien in bester Laune zu sein.
»Warum so lustig?« erkundigte sich sein Sekretär.
»Lustig? Nein, übermütig bin ich«, gab der Preller zurück. »Ich habe einen herrlichen Tag verlebt.«
»Und anscheinend auch einen Teil der Nacht?«
»Der Abend verlief leider nicht so wunschgemäß«, meinte Anthony. »Dieser Baltimore Jones ist ein sehr zurückhaltender Mann. Ich weiß aber gleichwohl Bescheid, denn ich stand hinter der Bank auf der Alameda, während ihm Bessie Maccall die traurige Geschichte ihres Daseins beichtete.«
»Ich dachte, sie hieß Agatha?«
»Tut sie auch, aber sie nennt sich Bessie, das heißt Baltimore Jones gegenüber hat sie diesen Namen genannt. Eine Tante von ihr wohnt in Stirling. Sie ist die einzige Verwandte, der sie nähersteht. Dann sind noch drei Vettern vorhanden, die schon frühzeitig ihre Heimat verließen und irgendwo in London in Stellung sind. Die Tante heißt Maggie. Bessie besuchte in Glasgow die Schule und brachte einmal vierzehn Tage Ferien in Blackpool zu. Das ist alles, was ich vom Stammbaum der Maccalls erfahren konnte. Was Baltimore Jones betrifft, so weiß ich über ihn bedeutend mehr.«
»Er ist ein Ganove, nicht wahr?«
»Ja, und ein ganz großer«, bestätigte der Preller. »Sein Schlafzimmer ist, was Mechanismen zum Schröpfen der geistig Armen betrifft, die reine Maschinenfabrik. Siebenundzwanzig Pack Spielkarten hat er sich so fein gezinkt, daß er sie jederzeit mit großem Gewinn für sich selbst verwenden kann. Ich habe mir erlaubt, ihm fünf davon abzuservieren und hierher mitzubringen. Wenn er sie vermißt, so läßt sich das natürlich nicht ändern, aber ich glaube es nicht, denn er hatte es heute sehr eilig.«
»Ist er hier in Algeciras?«
»Ja, er mußte plötzlich von Gibraltar abrücken und wohnt nun hier im ›Continental‹. Er kam eben mit mir zusammen an. Mittlerweile hat er zwei Plätze im Madrider Schlafwagen reservieren lassen, da er Miss Bessie Maccall in ihr Heimatland zurückbegleiten will.«
»So, so!« erwiderte Paul gedehnt. »Das bedeutet natürlich, daß das arme Mädchen über Madrid nicht hinausgelangen wird. Morgen früh wollen sie weiter, nicht wahr?«
Anthony nickte.
»Agatha wird ihn zeitig morgen früh treffen, denn sie hat früh eine halbe Stunde frei, um ihren Verdauungsspaziergang zu machen. Anstatt nach Hause zurückzukehren, wird sie das Schiff nach Algeciras besteigen und hier Baltimore Jones treffen. Eine Woche lang habe ich mich mit der Frage gequält, ob ich es wagen dürfe, nach London zurückzukehren. Mit dieser neuesten Entwicklung sind alle Zweifel zerstoben: Wir fahren nach England.«
»Komm, wir wollen packen«, meinte Paul lakonisch. Dann kehrten sie ins Hotel zurück und begannen mit den Vorbereitungen zur Abreise.
Am frühen Morgen stieg das frische junge Mädchen in Algeciras an Land und wurde von Baltimore Jones empfangen, einem gutaussehenden jungen Mann von militärischem Äußeren, mit sorgfältig gepflegtem Schnurrbart. Das Mädchen schien nervös zu sein, dennoch strahlten ihre hübschen Augen.
»Ach, ich habe solche Angst gehabt«, meinte sie. »Im letzten Augenblick glaubte ich die Frau Oberst am Kai zu bemerken. Gott sei Dank war es nur eine Täuschung.«
»Machen Sie sich keine Sorgen mehr, meine Liebe«, beruhigte sie Jones. »In ein paar Tagen werden Sie sich schon auf dem Weg von London nach Norden befinden.«
»Wir fahren doch heute bis Paris durch, nicht wahr?« erkundigte sich das Mädchen.
»Ich glaube, wir haben in Madrid einige Stunden Aufenthalt, aber Sie brauchen sich deshalb keine grauen Haare wachsen zu lassen«, erwiderte ihr Begleiter.
Das Mädchen seufzte erleichtert auf, aber ehe es noch etwas sagen konnte, kamen drei Männer auf die
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