0592 - Computer-Monster
zweiten, härteren Klopfen fuhr sie hoch, noch immer schlaftrunken, und wußte im ersten Augenblick nicht, wo sie sich befand und woher das Geräusch gekommen war.
Ihr Sohn drückte die Tür auf. Sehr vorsichtig und nur so weit, bis er seinen Kopf durch den Spalt in das Zimmer strecken konnte.
»Mutter?« fragte er.
»Ja… ja … was ist denn?« Sie richtete sich auf und schob die dunklen Haare zurück, die sie zweimal im Monat färben ließ, weil sie graue Strähnen haßte.
»Darf ich kommen?«
»Selbstverständlich.«
»Es ist so…« Craig räusperte sich und blieb innen vor der Tür stehen. Er besaß die gleiche Haarfarbe wie seine Mutter. Nur nicht gefärbt. Lang hing die Mähne an den beiden Seiten des Kopfes herab, verdeckte auch die Ohren. So hatte die Jugend die Haare vor zehn und mehr Jahren getragen, aber Craig mochte es. Sein Gesicht wirkte stets bleich, die schmale Nase stach spitz hervor, und manchmal zeichneten sich unter den tief in den Höhlen liegenden Augen dunkle Ränder ab, als hätte man sie mit Tusche hingemalt.
»Du bist ja schon angezogen?« wunderte sich seine Mutter. Ihre Blicke glitten über die Bermuda und das dünne T-Shirt.
»Ich… ich konnte nicht schlafen.«
Sie lächelte und merkte jetzt, daß ihre Lippen vom getrockneten Speichel verklebt waren. »Das Wetter, nicht wahr?«
»Nicht nur das, Mutter. Es muß auch etwas anderes gewesen sein.«
»Setz dich mal zu mir.«
»Danke.« Craig gehorchte. Auf dem Bettrand ließ er sich nieder. Er war schon zwanzig, doch er gehörte noch immer zu den Menschen, die ihre Mutter nicht nur liebten, ihr in gewisser Hinsicht auch hörig waren. Der Vater war gestorben, als Craig zehn Jahre alt war, ein tragischer Unglücksfall. Er war bewußtlos von einem Kran gekippt.
Seit diesem Tage hing Eartha mit ihrer ganzen Liebe an Craig, auch wenn sie es übertrieb.
Sie streichelte seinen Handrücken. Falten zeichneten ihr Gesicht, die Augen waren besorgt auf das Gesicht ihres Sohnes gerichtet.
»Was ist denn los?«
»Nicht nur die Hitze…«
»Der Computer, die Erinnerung?«
Er nickte heftig. »Ja, Mum, das ist es. Ich weiß nicht, ob ich es richtig gemacht habe. Schließlich ist Nick mein bester Freund. Wir haben alles gemeinsam unternommen, verstehst du? Alles…«
»Das weiß ich doch.«
»Und jetzt habe ich ihn verraten, Mummy. Ich komme mir vor wie ein Verbrecher.«
Sie lächelte. »Das hattest du tun müssen. Ihr beide seid in Gebiete eingedrungen, die tabu sein müssen. Ihr dürft dort nicht mehr weitermachen, Junge.«
»Ich ja nicht, aber…«
Sie richtete sich höher auf und brachte ihre Lippen dicht an sein Ohr. »Der Teufel«, flüsterte sie scharf, »der Teufel darf nicht unterschätzt werden. Er läßt nicht mit sich spielen, mein kleiner Sohn. Er ist einfach allen über. Man kann ihn nicht reizen, ihn holen und dann zurückstoßen!«
»Nick hat ihn doch…«
»Vergiß Nick, Junge. Du bist nicht Nick, aber ihr habt es gemeinsam gemacht, das ist schlimm. Ihr beide hängt zusammen wie die Glieder einer Kette. So etwas weiß auch der Satan.«
»Er hat mich nicht schlafen lassen.«
Seine Mutter atmete tief. »Wieso? Hat er mit dir gesprochen? Ist er dir begegnet?«
»Nein, das nicht.«
»Was dann, Kind?«
Craig schüttelte den Kopf. Seine schwarzen Haare flogen und umwehten das Gesicht. »Ich weiß es nicht, Mum, ich weiß es einfach nicht mehr. Ich will nur noch meine Ruhe haben.«
»Das wirst du auch. Wir beide werden unsere Ruhe haben. Du hast dich offenbart, die Polizei weiß Bescheid. Es gibt Spezialisten, die habe ich angerufen. Bald wird der Name Nick Ratkin aus deiner Erinnerung gelöscht sein.«
»Und mein Computer?«
»Dummer, du. Natürlich machst du weiter, verstehst du? Es gibt einfach kein Halten für dich. Du darfst ihn nicht zerstören, diesen herrlichen Apparat. Er besitzt eine Seele, das wissen wir beide. Der Computer ist einfach wundervoll.«
Craig nickte. Zugleich kam er seiner Mutter ziemlich geistesabwesend vor, was ihr nicht gefiel. »He, Junge, was ist los? Woran denkst du gerade, Kind?«
Im düsteren Halbdunkel des Raumes wirkten die beiden Gestalten wie erstarrte Schatten. »Es… es ist komisch, Mum, aber ich denke gerade daran, daß mein Computer eigentlich einem anderen gehorcht, obwohl er mir gehört.«
»Das begreife ich nicht.«
»Es ist so.« Voller Unruhe schabte Craig mit den nackten Füßen über den flauschigen Fußabstreifer vor dem Bett. »Wenn ich vor ihm hocke und ein
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