0595 - Der Werwolf-Dämon
Frau hier tat, aber er spürte die Auswirkung ihres Gebets. Die leisen Worte trafen ihn wie schmerzende Nadelstiche.
Der Werwolf-Dämon schüttelte sich. Er machte sich bereit, anzugreifen.
Er würde der erste sein, der das Blut des Opfers trank.
Erst danach kam das Rudel an die Reihe.
Sobald die Frau diesen Platz verließ, der durch das Gebet für eine Weile gesichert worden war…
***
Etwas raschelte im Laub zwischen den kahlen Sträuchern, im Nebel…
»Ein Wolf!« schrie Philippe Bouix auf.
Er riß Zamorra den Dolch aus der Hand, um sich auf das Tier zu stürzen.
Zamorra packte blitzschnell mit der linken Hand zu, riß ihn zurück.
Gleichzeitig flirrte Nicole herum, den E-Blaster im Beidhandanschlag, die Waffe auf den Wolf gerichtet.
»Bist du wahnsinnig?« fauchte Zamorra den Jungen an. »Der frißt dich doch auf mitsamt deinem Zahnstocher!«
Der Junge hatte die Gefahr, in der er sich befand, überhaupt nicht begriffen! Sich dem Wolf blindlings entgegenzuwerfen, das war das Dümmste, was er tun konnte.
Im nächsten Moment erkannte Zamorra den Wolf.
Nicole hatte es im gleichen Moment begriffen, und… sie ließ die Waffe sinken, sicherte sie und steckte sie wieder ein.
»Fenrir!« stieß sie hervor. »Was, bei Merlins hohlem Backenzahn, machst du Untier hier?«
Der Wolf schniefte und schüttelte sich. Wassertropfen flogen aus seinem Pelz - Nebel, der sich im Fell als Kondenswasser niedergeschlagen hatte.
Ich dachte schon, ihr wolltet mich umbringen! teilte er telepathisch mit.
»Fenrir?« keuchte Philippe und versuchte sich aus Zamorras Griff loszureißen. »Was soll das?«
Sag ihm endlich, daß ich ein ganz liebes Hündchen bin und er seinen verflixten Poggenritzer wegstecken soll! vermeldete Fenrir. Ich mag lieber hinter den Ohren gekrault als angeschnitzt zu werden.
»Das ist die verdammte Bestie, die meinen Bruder umgebracht hat!« keuchte Philippe.
»Unsinn!« sagte Zamorra ganz ruhig. »Fenrir ist keine Bestie, er bringt niemanden um. Er ist unser Freund!«
Philippe lachte auf und versuchte erneut, freizukommen. »Ein Wolf?« rief er. »Er ist ein verdammter Wolf! Er ist der Werwolf!«
»Nimm Vernunft an!« sagte Zamorra jetzt etwas schroffer. »Siehst du nicht, daß er nicht die geringsten Anstalten macht, uns anzugreifen?«
Nicole ging neben dem grauen Räuber in die Knie und zauste sein zottiges Fell. Fenrir schniefte zufrieden.
Das Gesicht des Jungen war verzerrt. Er verstand nicht, was hier vorging. Seine Gedanken überschlugen sich. Er fühlte sich verraten.
Ausgerechnet von dem Mann, dem er vertraut hatte, an den er geglaubt hatte.
Zamorra und der Wolf - der Werwolf gingen nicht aufeinander los, wie es halle sein sollen, sondern übten sich in Friedlicher Ko-Existenz!
Zamorra schien doch nicht der ehrenwerte Mann zu sein, den Philippe in ihm gesehen hatte. Nun, wer sich so intensiv mit Schwarzer Magie befaßte, mochte ihr durchaus verfallen…
Philippe Bouix riß sich endgültig los.
Aber er griff den Wolf nicht an. Das war aussichtslos, er konnte nicht zugleich gegen die Bestie und ihre beiden menschlichen Beschützer kämpfen. Er konnte nur hoffen, daß sie ihn entkommen ließen.
Er rannte davon. Hinaus in die Nacht. In die Nacht, in der das Böse überall lauerte. Sogar an unvermuteten Orten.
Und er hoffte, daß er ungeschoren nachhause kam. Daß sein Vater den abermals stibitzten Dolch nicht bereits vermißte, daß sein Vater nicht festgestellt hatte, daß Philippe erneut in den Wald gegangen war…
Er rannte in die Nacht und verschwand im Nebel.
***
Zamorra, Nicole und Fenrir sahen dem Jungen nach, machten aber keine Anstalten, ihm zu folgen.
»Wieso bist du hier?« erkundigte sich Zamorra bei Fenrir. »Mit dir hätte ich am wenigsten gerechnet, grauer Freund. Hättest du dich nicht schon etwas früher bemerkbar machen können, statt unseren ›Fremdenführer‹ dermaßen zu erschrecken? Wir sind schließlich schon ein paar Stunden hier in der Gegend.«
Ebensogut könnte ich euch fragen, ivas ihr hier tut, gab Fenrir telepathisch zurück.
Der alte sibirische Wolf, der über die Intelligenz eines Menschen verfügte, war einst vom Zauberer Merlin in Telepathie geschult worden. Er konnte Gedanken von Menschen lesen und ihnen seinerseits Gedanken zusenden - wobei er genau sortieren konnte, wen er damit ansprach oder nicht.
Nur wen er gezielt in seine Telepathie einschloß, konnte seine ›Worte‹ wahrnehmen, andere Menschen, auch wenn sie unmittelbar daneben
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