0599 - Die Kralle
dich begraben! Ich war dabei, wie dein Sarg in das Grab hinabgelassen wurde. Es gibt nichts mehr daran zu zweifeln. Du kannst nicht zurückkehren. Du bist …« Sie holte tief Luft, die nächsten Worte sollten hart werden. »Du bist längst vermodert. Du bestehst aus Knochen und alten Hautfetzen, aus mehr nicht, Ricardo. Du kannst nicht mehr zurückkehren.«
»Dein Pferd ist tot.«
»Ich weiß, ja, ich weiß. Aber das warst nicht du.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil es nicht geht, zum Henker! Und laß mich…« Sie holte saugend Luft. »Laß mich in Ruhe!«
»Wir werden uns sehen, Prinzessin. Es gibt keine Hochzeit, nur Blut, verstehst du? Nur Blut…«
Deliah Courtain konnte nicht mehr. Sie wuchtete den Hörer zurück. Dabei erwischte sie auch den Apparat, der soviel Schwung bekam, daß er zu Boden fiel. Sie hob ihn nicht einmal auf.
Schreien, weinen, toben, fluchen, Depressionen bekommen, sich aus dem Fenster stürzen, das alles kam bei ihr zusammen und flutete wie eine gewaltige Woge durch ihren Kopf.
Nichts davon blieb.
Statt dessen lag sie auf dem Bett, gebadet in Schweiß, atmete pumpend und dachte an das Versprechen des Toten, der ihr erklärt hatte, zurückkommen zu wollen.
Als lebender Toter, als Leiche, als Zombie…
Deliah richtete sich auf. Im Sitzen wartete sie ab, bis sich der Schwindel gelegt hatte. Dann stand sie auf und schlich dorthin, wo hinter der Tür das Bad lag.
Sie brauchte jetzt eine Dusche. Nicht nur körperlich fühlte sie sich beschmutzt, auch seelisch. Alles war so schrecklich, so unerträglich geworden, ein Leben, das man am besten zur Seite schob.
Deliah bekam kaum mit, daß sie sich duschte. Erst als der Schaum in ihre Augen biß, wurde ihr bewußt, daß sie unter den Wasserstrahlen stand.
Wenig später taumelte sie aus der Kabine, noch immer abgefüllt mit fürchterlichen Gedanken.
Sie sah sich im Spiegel. Der Magen revoltierte, dann beugte sie sich über das Waschbecken, um sich zu übergeben.
Irgendwann taumelte sie zurück in ihr Zimmer. Nackt und an den Beinen noch naß.
Und wieder summte der Apparat. Es war für sie furchtbar. Sie hob ab und meldete sich mit einem Keuchen. Wieder traf sie der harte Eiszapfen in der Magengrube.
»Ich habe noch etwas vergessen, Prinzessin. Du hast einen Fehler begangen und hättest keine anderen Personen in deine private Sache mit hineinziehen sollen. Pech für sie, denn auch sie werden sterben. Noch in der kommenden Nacht verlieren sie ihr Leben. Danach komme ich und kümmere mich um dich. Bis bald, Prinzessin…«
Diesmal schleuderte Deliah das Telefon gegen die Wand, bevor sie sich auf ihr Bett warf und das Gesicht in den Kissen vergrub…
***
»Bill, paß auf, verdammt!«
Ich hatte die Warnung kaum geschrien, als es passierte. Eine kurze Bewegung hinter der Seitenscheibe des Mercedes. Im nächsten Augenblick zersplitterte die Scheibe. Der Fahrtwind fegte die einzelnen Stücke weg wie Schneeflocken, aber die Klaue hatte freie Bahn. Sie bildete die Verlängerung eines Arms, und sie war so lang, daß sie auch unseren Wagen erwischen konnte.
Vier Finger und ein Daumen zielten auf das Fenster des Porsche, dessen Scheibe nicht aus Panzerglas bestand. Sie wurde zerstört. Bill tauchte zur Seite. Die Klaue glitt ein Stück höher und verhakte sich am Rand, während beide Wagen fast aneinandergekettet mit der gleichen Geschwindigkeit weiterrasten.
Es war die Hölle.
Und der Teufel trug in diesem Fall eine stählerne Klauenhand.
Auch sein dunkles Haar zerwühlte der Wind. Darunter sah ich ein scharf geschnittenes Gesicht, ebenfalls dunkle Augen, einen verzogenen Mund und die Wut auf dem Gesicht.
Bill lenkte in seiner schrägen Haltung. Die Spitzen der Klaue waren nach oben gebogen und hatten sich derart stark im Türrahmen verhakt, daß sie schon das Blech bogen.
Ich zog meine Waffe. Wenn es eine Chance zur Flucht gab, mußte ich an Bill vorbeischießen und den anderen treffen. Noch befanden wir uns auf der Fahrbahn, auf die Dauer gesehen war sie für zwei Autos zu eng. Wer den Mercedes fuhr, konnte ich nicht erkennen.
Bill hatte Mühe mit der Lenkung. Er sah, daß ich die Waffe zog und drückte sich noch weiter zurück. »Schieß, John!« keuchte er.
»Jag ihm das Silber in den Schädel!«
Da zog der andere die Hand zurück. Gleichzeitig bremste der Fahrer des Mercedes ab.
Wir behielten unser Tempo und schossen an der dunklen Limousine vorbei, die wir sehr schnell hinter uns gelassen hatten. Bill hatte das Lenkrad
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