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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hingekommen ist.«
    »Was ist das denn?«
    »Ein Amulett. Für die Gesundheit. Meine Mutter will, daß ich es trage. Albern. Wie Knoblauch. Aber das darf man meiner Mutter nicht sagen. Sie glaubt fest an solche Talismane.«
    Lynley reichte ihr die Kette und die kleine Kugel. Sie gab ihm seinen Dienstausweis zurück. Ihre Finger waren fiebrig heiß. Sie ging zur Stehlampe, wechselte die Birne aus, schaltete die Lampe ein und zog sich dann hinter einen der Sessel zurück. Dort blieb sie stehen, die Hände auf seiner Rückenlehne.
    Lynley ging zum Sofa. St. James gesellte sich zu ihm. Mit einer Kopfbewegung forderte Polly sie auf, Platz zu nehmen, obwohl klar war, daß sie selbst nicht die Absicht hatte, sich zu setzen. Lynley wies auf den Sessel, sagte: »Wir halten Sie nicht lange auf«, und wartete darauf, daß sie hinter dem Sessel hervortreten würde.
    Sie tat es widerstrebend, eine Hand weiterhin auf seiner Rückenlehne, als wollte sie sich gleich wieder hinter ihn zurückziehen. Sitzend war sie im Licht, und es schien, daß sie vor allem das Licht und weniger ihre Gesellschaft am liebsten gemieden hätte.
    Zum erstenmal sah er, daß die Hose, die sie anhatte, zu einem Herrenanzug gehörte. Sie war viel zu lang. Sie hatte sie unten hochgekrempelt.
    »Sie hat dem Pfarrer gehört«, erklärte sie zögernd. »Ich glaube, da hätte niemand was dagegen. Ich bin vorhin auf der Hintertreppe gestolpert und hab mir den Rock zerrissen. So was Dummes, ich bin wirklich ungeschickt.«
    Er hob seinen Blick zu ihrem Gesicht. Ein brennend roter Striemen zog sich hinter dem schützenden Schleier ihres Haars hervor über ihr Gesicht bis zu ihrem Mundwinkel.
    »Furchtbar ungeschickt«, sagte sie wieder und lachte ein wenig. Es klang nicht überzeugend. »Dauernd ecke ich irgendwo an. Meine Mutter hätte mir lieber ein Amulett schenken sollen, das mich sicher auf den Beinen hält.«
    Sie schob ihr Haar noch ein wenig weiter vor. Lynley fragte sich, was sie noch zu verbergen suchte. Die Haut des Stücks Stirn, das er sehen konnte, glänzte; Schweiß, von Nervosität oder Unwohlsein hervorgerufen. Es war nicht so warm im Haus, daß das Schwitzen eine andere Ursache hätte haben können.
    »Geht es Ihnen nicht gut?« fragte er. »Sollen wir vielleicht einen Arzt für Sie rufen?«
    Sie rollte die aufgeschlagenen Hosenbeine herunter und zog den Stoff über ihre Füße. »Ich war seit zehn Jahren nicht mehr beim Arzt. Ich bin nur hingefallen. Ich hab mir nichts getan.«
    »Aber wenn Sie sich den Kopf angeschlagen haben...«
    »Ach, ich bin nur mit dem Gesicht in die blöde Tür gerannt.«
    Sie lehnte sich tiefer in den Sessel und legte ihre Hände auf seine Armlehnen. Es war eine langsame und bedächtige Bewegung, als müßte sie sich erst ins Gedächtnis rufen, wie man zu sitzen und sich zu benehmen hatte, wenn Besuch da war. Aber irgendwie hatte man das Gefühl - vielleicht lag es an der mechanischen Bewegung ihrer Arme oder an dem Eindruck, daß es sie Mühe kostete, ihre gekrümmten Finger auf der Armlehne auszustrecken -, daß sie nur den einen Wunsch hatte, sich zusammenzukrümmen und sich selbst in die Arme zu schließen, bis irgendein innerer Schmerz nachließ. Als weder Lynley noch St. James gleich etwas sagten, bemerkte sie: »Die Leute vom Kirchenvorstand haben gesagt, ich soll das Haus sauberhalten, damit jederzeit ein neuer Pfarrer einziehen kann. Ich hab geputzt. Manchmal mach ich ein bißchen zuviel und bin dann hinterher ziemlich fertig.«
    »Sie kommen immer noch regelmäßig hierher, obwohl der Pfarrer tot ist?«
    Das schien einigermaßen unwahrscheinlich. So groß war das Haus nicht.
    »Ja, wissen Sie, es braucht schon seine Zeit, alles zu ordnen und sauberzumachen, wenn jemand gestorben ist.«
    »Sie haben gute Arbeit geleistet.«
    »Na ja, sie wollen doch immer das Pfarrhaus sehen, die Neuen, meine ich. Das hilft ihnen, sich zu entscheiden, wenn ihnen die Stelle angeboten wird.«
    »War das mit Mr. Sage auch so? Hat er sich das Pfarrhaus angesehen, ehe er die Stelle annahm?«
    »Ihm war es gleich, wie es aussah. Ich denke, das kam, weil er keine Familie hatte, da spielte das Haus keine große Rolle. Er war ja ganz allein.«
    »Hat er mal von einer Ehefrau gesprochen?« fragte St. James.
    Polly nahm den Talisman in die Hand, der in ihrem Schoß lag. »Von einer Ehefrau? Hat er denn daran gedacht, zu heiraten?«
    »Er ist verheiratet gewesen. Er war Witwer.«
    »Das hat er mir nie gesagt. Ich dachte. Na ja, ich hatte

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