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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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darauf. Und da war er gewesen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Zur Erklärung rieb sie mit den Fingern ihr Knie. »Die Hose. Da am Knie war keine Bügelfalte mehr. Und hinten war sie vom Knien zerknittert.«
    »Was sagte er zu Ihnen?«
    »Ich wäre eine gute Seele, aber ich sollte mir keine Sorgen machen. Ich fragte ihn, ob er krank sei. Er sagte nein.«
    »Haben Sie ihm geglaubt?«
    »Ich hab gesagt, Sie übernehmen sich mit diesen Reisen nach London, Herr Pfarrer. Er war gerade am Tag vorher zurückgekommen, wissen Sie. Und jedesmal, wenn er nach London gefahren ist, sah er hinterher ein bißchen schlechter aus als beim Mal davor. Und jedesmal, wenn er in London war, kam er nach Hause und hat gebetet. Manchmal hab ich mich wirklich gefragt. Na ja, was er da wohl in London tat, daß er immer so müde und abgespannt zurückkam. Er ist natürlich mit dem Zug gefahren, und da hab ich mir gedacht, vielleicht ist es einfach die Anstrengung von der Reise und so.«
    »Wo in London hatte er denn zu tun, wissen Sie das?«
    Nein, das wußte Polly nicht. Sie konnte ihnen auch nicht sagen, was er in London zu tun gehabt hatte. Ob seine Reisen dienstlicher oder privater Natur waren, hatte der Pfarrer für sich behalten. Das einzige, was Polly ihnen mit Sicherheit sagen konnte, war, daß er in einem Hotel nicht weit vom Euston Bahnhof abzusteigen pflegte. Immer im selben Hotel. Daran erinnerte sie sich. Ob sie den Namen wissen wollten?
    Ja, wenn sie ihn hätte.
    Sie wollte aufstehen und schnappte wie überrascht nach Luft, als ihr das Schwierigkeiten bereitete. Sie vertuschte einen kleinen Aufschrei mit einem Hüsteln. Aber er konnte die Tatsache, daß sie Schmerzen hatte, kaum vertuschen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Dieser Sturz war wirklich blöd. Ich hab mir richtig weh getan. Wie kann man nur so ungeschickt sein.«
    Sie rutschte im Sessel nach vorn und stemmte sich in die Höhe, als sie die Sesselkante erreicht hatte.
    Lynley beobachtete sie stirnrunzelnd. Wieder fiel ihm auf, wie sie den Kragen ihres Pullovers mit beiden Händen an ihrem Hals zusammenhielt. Sie richtete sich nicht gerade auf. Als sie ging, schonte sie ihr rechtes Bein.
    »Wer war heute bei Ihnen, Polly?« fragte er unvermittelt.
    Sie blieb abrupt stehen. »Niemand. Jedenfalls erinnere ich mich nicht.«
    Sie tat so, als dächte sie angestrengt nach, krauste die Stirn und starrte zum Teppich hinunter, als könnte der ihr Antwort geben. »Nein. Keine Menschenseele.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht. Sie sind gar nicht gestürzt, nicht wahr?«
    »Doch. Hinten draußen.«
    »Wer war es? War Mr. Townley-Young bei Ihnen? Wollte er mit Ihnen über die Zwischenfälle oben im Herrenhaus sprechen?«
    Sie schien ehrlich überrascht. »Im Herrenhaus? Nein!«
    »Dann vielleicht über gestern abend? Über den Mann, mit dem Sie im Pub waren? Das ist sein Schwiegersohn, nicht wahr?«
    »Nein. Ich meine, ja, es ist sein Schwiegersohn. Es war Brendan, ja. Aber Mr. Townley-Young war nicht hier.«
    »Wer dann...«
    »Ich bin gestürzt. Ich hab mich angeschlagen. Ich muß eben in Zukunft ein bißchen vorsichtiger sein.«
    Sie ging aus dem Zimmer.
    Lynley stand auf und ging zum Fenster, von dort zum Bücherregal, dann wieder zurück zum Fenster. Ein kleiner Heizkörper zischte darunter, unaufhörlich und irritierend. Er versuchte, den Knopf zu drehen. Der schien festzusitzen. Er umfaßte ihn fester, versuchte es mit Gewalt, verbrannte sich die Hand und fluchte.
    »Tommy.«
    Er drehte sich nach St. James herum, der ruhig auf dem Sofa saß. »Wer?« »Vielleicht wär es wichtiger zu fragen, warum?«
    »Warum? Um Himmels willen.«
    St. James' Stimme war leise und völlig ruhig. »Halte dir die Situation vor Augen. Plötzlich trifft Scotland Yard ein und fängt an, Fragen zu stellen. Es wird von allen erwartet, daß sie sich an die bereits etablierte Version halten. Vielleicht wollte Polly das nicht. Vielleicht weiß das jemand.«
    »Herrgott noch mal, darum geht's doch gar nicht, St. James. Sie ist geschlagen worden. Jemand hat sie.«
    »Aber sie will nicht darüber sprechen. Vielleicht hat sie Angst. Vielleicht will sie auch jemanden schützen. Wir wissen es nicht. Die wesentlichere Frage ist doch im Augenblick, ob das, was ihr zugestoßen ist, mit Robin Sages Tod in Zusammenhang steht.«
    »Du redest wie Barbara Havers.«
    »Irgend jemand muß es ja tun.«
    Polly kehrte mit einem Zettel in der Hand zurück. »Hamilton House«, sagte sie. »Die Telefonnummer ist auch

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