06 - Denn keiner ist ohne Schuld
getan. Ich hab's für dich getan. Ich möchte das Beste für dich, Colin.«
»Polly...«
»Ich weiß noch, wie es früher war. Wir waren so gute Freunde, nicht wahr? Wir sind zum Stausee rausgewandert. Wir waren in Burnley im Kino. Und einmal sind wir auch nach Blackpool gefahren.«
»Mit Annie.«
»Aber wir beide waren auch Freunde, du und ich.«
Er sah auf seine Hände hinunter, um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen. »Ja, das stimmt. Aber wir haben alles verpfuscht.«
»Nein, wieso denn? Wir haben doch nur...«
»Annie hat's gewußt. Sofort als ich ins Schlafzimmer kam, hat sie's gewußt. Wie war euer Picknick, hat sie gesagt. War's schön? Hast du ein bißchen frische Luft geschnappt, Col? Sie hat's gewußt.«
»Wir wollten ihr doch gar nicht weh tun.«
»Sie hat mich nie gebeten, ihr treu zu sein. Hast du das gewußt? Sie hat es gar nicht erwartet, nachdem sie erfahren hatte, daß sie sterben würde. Einmal nachts im Bett hat sie meine Hand genommen und gesagt, sorg gut für dich, Col, ich weiß, wie dir zumute ist, ich wollte, wir könnten wieder so miteinander sein, aber das geht nicht, mein Liebster, darum mußt du gut für dich sorgen, das ist nur richtig so.«
»Aber wieso sagst du dann...«
»Weil ich mir an dem Abend geschworen hab, daß ich sie niemals betrügen würde, ganz gleich, was geschehen würde. Und dann hab ich sie trotzdem betrogen. Mit dir. Ihrer Freundin.«
»Aber es war doch nicht Absicht. Wir hatten es doch überhaupt nicht so geplant.«
Er sah sie an, hob den Kopf mit einer heftigen Bewegung, die sie offenbar nicht erwartet hatte, denn sie fuhr zurück. Etwas von dem Sherry, den sie in der Hand hielt, schwappte aus dem Glas und tropfte auf ihren Rock. Leo beschnupperte ihn neugierig. »Ist ja auch egal«, sagte er. »Annie hat im Sterben gelegen. Und du und ich, wir haben draußen im Moor in einer Scheune gebumst. Wir können an diesen Tatsachen nichts ändern. Wir können sie nicht beschönigen oder entschuldigen.«
»Aber wenn sie doch zu dir gesagt hat...«
»Nein. Nicht - mit - ihrer - Freundin.«
Polly schossen die Tränen in die Augen. »Von dem Tag an hast du mich nicht mehr angesehen, Colin, du hast dich von mir abgewandt, du hast mich nie mehr angefaßt, kaum noch mit mir gesprochen. Wie lange soll ich denn noch für das leiden, was damals geschehen ist? Und jetzt...«
Sie schluckte.
»Jetzt was?«
Sie senkte die Lider.
»Jetzt was? Sag schon!«
Ihre Antwort klang wie eine Beschwörung. »Ich habe Zedernholz für dich verbrannt, Colin. Ich habe die Asche auf ihr Grab gelegt. Ich habe den Ringstein dazu gelegt. Ich habe Annie den Ringstein geschenkt. Er liegt auf ihrem Grab. Du kannst ihn sehen, wenn du willst. Ich habe den Ringstein hergegeben. Ich hab's für Annie getan.«
»Was jetzt?« fragte er wieder.
Sie neigte sich zu dem Hund hinunter und rieb ihre Wange an seinem Kopf.
»Antworte mir, Polly!«
Sie hob den Kopf. »Und jetzt strafst du mich noch mehr.«
»Wieso?«
»Und das ist nicht fair, weil ich dich liebe, Colin. Ich habe dich zuerst geliebt. Ich liebe dich schon länger als sie.«
»Sie? Wer? Wieso strafe ich dich?«
»Ich kenne dich besser als alle anderen. Du brauchst mich. Du wirst schon sehen. Mr. Sage hat es mir gesagt.«
Bei ihren letzten Worten bekam er die Gänsehaut. »Was hat er dir gesagt?«
»Daß du mich brauchst. Daß du es noch nicht weißt, aber daß du es schon bald merken wirst, wenn ich dir nur treu bleibe. Und ich bin dir treu geblieben. Immer. Ich lebe nur für dich, Colin.«
Ihr Geständnis unverbrüchlicher Liebe war völlig nebensächlich; zuerst mußte geklärt werden, was hinter dem Mr. Sage hat es mir gesagt steckte, damit man entsprechend handeln konnte. »Sage hat mit dir über Juliet gesprochen, stimmt's?« fragte Colin. »Was hat er gesagt?«
»Nichts.«
»Er hat dir doch eine Art Zusicherung gegeben. In welcher Form? Daß sie mit mir Schluß machen würde?«
»Nein.«
»Du weißt doch etwas.«
»Nein, ich weiß gar nichts.« »Sag es mir.«
»Ich weiß nichts.«
Er stand auf. Er war einen guten Meter von ihr entfernt, dennoch schreckte sie zurück. Leo hob den Kopf, spitzte die Ohren, begann zu knurren. Polly stellte ihr Sherryglas auf den Kaminsims, hielt es aber fest, als fürchtete sie, es könnte davonfliegen.
»Was weißt du über Juliet?«
»Nichts. Das hab ich dir doch schon gesagt.«
»Und über Maggie?«
»Auch nichts.«
Ȇber ihren Vater? Was hat Robin Sage dir
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