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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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vor, würde die Anklage unschuldig fragen, und hatten Frau und Kinder etwas damit zu tun? Die Geschworenen würden sich das alles stumm und nüchtern und fast ehrfürchtig anhören und sich der Form halber lange und gründlich beraten und dann die Angeklagten für schuldig erklären: Todesstrafe. Mit Berufung war fast automatisch zu rechnen, doch wenn dem Richter keine Verfahrensfehler unterlaufen waren, konnte sie keinen Erfolg haben. Das Ganze würde sich über Jahre hinziehen, doch am Ende kamen die beiden auf hölzerne Stühle, wurden festgeschnallt, und dann legte jemand einen Schalter um.
Murray war’s zufrieden. Er war zwar ein erfahrener und kultivierter Mann, aber doch vor allem nach wie vor Polizist. Nach der Absolvierung der FBI-Akademie hatten er und die anderen dieses Jahrgangs tatsächlich geglaubt, die Welt verändern zu können. Laut Statistik war ihnen das in mancher Hinsicht gelungen, aber Statistik war zu trocken, zu distanziert, zu inhuman. Für Murray war der Krieg gegen das Verbrechen eine endlose Reihe kleiner Schlachten. Opfer wurden allein beraubt, entführt oder ermordet; es waren Individuen, die von den streitbaren Priestern des FBI gerettet oder gerächt werden mußten. Auch hier prägte seine katholische Erziehung seine Auffassungen; das FBI war nach wie vor eine Bastion katholischer Amerikaner irischer Abstammung. Er mochte die Welt nicht verändert haben, aber er hatte Leben gerettet und Morde gerächt. Wie immer würden neue Kriminelle auf der Bildfläche erscheinen, aber seine Schlachten hatten alle ein siegreiches Ende gefunden, und er glaubte fest, daß am Ende unterm Strich ein Bonus für die Gesellschaft herausgekommen war. So fest wie sein Glaube an Gott war seine Überzeugung, daß jeder erwischte Straftäter irgendwo ein gerettetes Leben bedeutete.
Und auch hier hatte er dazu beigetragen. Dem Drogengeschäft aber würde das nichts ausmachen. Sein neuer Posten zwang ihn zu einem Überblick, den sich normale Agenten nur nach Dienstschluß bei einem Glas leisten konnten. Zwei Männer waren aus dem Verkehr gezogen, aber der Hydra waren bereits zwei neue Köpfe gewachsen, wenn nicht sogar mehr. Murrays Fehler war, die Sage nicht bis zu ihrem Ende zu verfolgen; andere taten das bereits. Herkules hatte die Hydra durch Änderung seiner Taktik besiegt. Einer der Männer, die sich an diesen Ausgang erinnerten, saß in seinem Zimmer. Noch nicht gelernt hatte Murray, daß auf der Ebene, auf der Politik gemacht wird, die Perspektive allmählich die Ansichten verändert.
    Cortez gefiel die Aussicht, obwohl die Luft hier in diesem Adlerhorst etwas dünn war. Sein neuer Vorgesetzter verstand es, auf oberflächliche Weise seine Macht zu demonstrieren, und saß mit dem Rücken zu dem breiten Fenster, damit jene, die vor seinem riesigen Schreibtisch Platz nahmen, seinen Gesichtsausdruck nicht lesen konnten. Er hatte den leisen, gelassenen Tonfall der Mächtigen. Seine Gesten waren knapp, seine Worte mild. In Wirklichkeit aber war er ein brutaler Mann, wie Cortez wußte, und trotz seiner Bildung nicht so weltläufig wie er selbst; aber aus diesem Grunde war er ja auch eingestellt worden. Der ehemalige Oberst, der in Moskau seine Ausbildung erhalten hatte, konzentrierte sich also auf den Blick über das grüne Tal und ließ Escobedo seine Power-Spielchen treiben. Cortez hatte sie schon mit wesentlich gefährlicheren Männern gespielt. »Nun?« »Ich habe zwei Personen rekrutiert«, erwiderte Cortez. »Eine wird uns gegen Bezahlung Informationen liefern. Die andere wird auf andere Weise entschädigt. Zwei weitere Kandidaten habe ich mir angesehen, aber als unpassend verworfen.«
»Und wer sind die beiden, die Sie benutzen wollen?«
»Moment.« Cortez schüttelte den Kopf. »Ich sagte Ihnen bereits, daß die Identität meiner Agenten geheim bleiben muß. Das ist ein nachrichtendienstliches Prinzip. Ihre Organisation ist von Informanten durchsetzt, und unbedachtes Gerede würde unsere Fähigkeit, die von Ihnen gewünschten Informationen zu sammeln, beeinträchtigen. Jefe«, schmeichelte er, denn diesem Mann mußte man um den Bart gehen, »Jefe, Sie haben mich wegen meiner Kenntnisse und Erfahrung eingestellt. Lassen Sie mich nun meine Arbeit richtig tun. Die Qualität meiner Quellen werden Sie anhand der Informationen, die ich Ihnen liefern werde, erkennen. Ich kann Sie verstehen. Selbst Castro fragte mich nach meinen Agenten und bekam dieselbe Antwort. Es geht einfach nicht anders.« Das trug Cortez

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