06 - Der Schattenkrieg
machte. Einige hatten Wehwehchen, die überwiegend auf das unbequeme Nachtlager zurückzuführen waren, aber ansonsten gab sich alles fit und ausgeruht. Der Müll wurde gesammelt und vergraben. Im letzten Tageslicht inspizierte Ramirez den Lagerplatz noch einmal. Olivero ließ Tränengaspulver über den Abfall rieseln, ehe die Grube zugeschüttet wurde, um zu verhindern, daß Tiere ihn ausgruben. Als Chavez als erster aufbrach, verriet nichts, daß hier ein Zug gelagert hatte.
Ding überquerte die Lichtung so rasch wie möglich und hielt durch sein Nachtsichtgerät Ausschau. Er benutzte Kompaß und Markierungspunkte und kam nun, da er ein besseres Gefühl fürs Gelände hatte, rascher voran. Wie zuvor erreichten nur die Geräusche der Natur sein Ohr, und zum Glück war der Wald nun nicht mehr so dicht. Er schaffte über vier Kilometer in der Stunde. Und am schönsten war, daß er bisher noch keine einzige Schlange entdeckt hatte.
Checkpoint BOLZEN erreichte er in knapp zwei Stunden und fühlte sich entspannt und sicher. Der Marsch durch den Dschungel hatte seine Muskeln gelockert. Zweimal war er unterwegs stehengeblieben, um zu trinken, öfter noch, um zu lauschen, aber er hatte nie etwas Unerwartetes vernommen. Alle dreißig Minuten hatte er kurz über Funk Kontakt mit Captain Ramirez aufgenommen.
Zehn Minuten nachdem Chavez einen Rastplatz aufgesucht hatte, traf der Zug ein. Zehn Minuten später brach er zum nächsten und letzten Checkpoint auf: HOLZHAMMER.
Nun war er vorsichtiger. Er hatte sich die Karte eingeprägt, und je weiter er sich dem Ziel näherte, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, daß er auf jemanden stieß. Fast unwillkürlich verlangsamte er seine Schritte. Einen halben Kilometer nach BOLZEN hörte er, wie sich rechts von ihm etwas entfernte. Er gab dem Zug einen Wink und ging mit Vega nachsehen, aber das Geräusch entfernte sich in südwestlicher Richtung. Muß wohl ein Tier gewesen sein, dachte Ding; er wartete aber trotzdem noch ein paar Minuten, ehe er weiterging.
HOLZHAMMER erreichte er ohne weitere Vorkommnisse und war nun einen Kilometer vom Ziel entfernt. Wieder sammelte sich der Zug. Fünfzig Meter vom Checkpoint floß ein Bach, an dem ihre Feldflaschen wieder gefüllt wurden. Nächstes Ziel war nun der Sammelpunkt, zu dem Ding sie in weniger als einer Stunde führte. Man stellte Wachen auf, während Zugführer und Späher sich besprachen.
Ramirez holte seine Karte hervor. Chavez und sein Captain schalteten die Infrarotleuchten an ihren Nachtsichtgeräten an und studierten die Karten und dazugehörigen Fotos. Ebenfalls dabei war Guerra, der Operations-Sergeant. Die Straße zum Flugfeld kam aus der entgegengesetzten Richtung und machte einen Bogen um den Bach, dem sie gefolgt waren. Das Foto stellte nur ein Gebäude dar, und das lag jenseits des Zieles.
»Ich würde hier entlang herangehen, Sir«, meinte Chavez. »Da haben Sie wahrscheinlich recht«, erwiderte Ramirez. »Was meinen Sie, Sergeant Guerra?«
»Sieht gut aus, Sir.«
»Gut, Leute, wenn es zu Feindberührung kommt, dann in dieser Gegend. Chavez, ich gehe mit Ihnen voraus. Guerra, Sie folgen mit dem Rest des Zuges für den Fall, daß es Ärger geben sollte.« »Jawohl, Sir«, antworteten die beiden Sergeants. Aus Gewohnheit holte Ding seinen Schminkstift heraus und schmierte sich Grün und Schwarz ins Gesicht. Dann zog er seine Handschuhe an. Schweißnasse Hände waren zwar störend, aber die dunklen Lederhüllen tarnten seine helle Haut. Ramirez und er setzten ihre Nachtsichtgeräte auf und schlichen los.
Der Bach, dem sie gefolgt waren, entwässerte das Gebiet und sorgte für festen, trockenen Untergrund; deshalb hatte hier auch jemand einen Landestreifen planiert. Nun achtete Chavez besonders argwöhnisch auf Fallen. Vor jedem Schritt suchte er den Boden nach Drähten ab und ließ auch die Hüft- und Augenhöhe nicht außer acht. Außerdem hielt er nach Stellen Ausschau, an denen gegraben worden war.
Immer mit der Ruhe, mano, sagte er sich. Endlich ein Geräusch, das der schwache Wind ihnen zutrug: entferntes Gemurmel menschlicher Stimmen.
Kontakt. Chavez drehte sich zu seinem Captain um, wies in die Richtung, aus der er etwas gehört hatte, und hielt sich den Finger ans Ohr. Ramirez nickte und bedeutete ihm weiterzugehen. Dann ein Trampelpfad. Chavez ging in die Knie und suchte nach Fußspuren. Jawohl, da waren sie, in beide Richtungen. Er machte einen langen Schritt über den schmalen Pfad hinweg und blieb stehen.
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