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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dazu kam, daß Watters Nuggets für mich lange nicht die Wichtigkeit besaßen wie der von mir erlauschte Plan, welcher gegen den sogenannten Onkel und dessen Neffen ausgeführt werden sollte und den ich, wenn es mir möglich war, zunichte machen wollte. Verriet ich aber wegen des an Watter begangenen Diebstahls, daß ich an der Verbindungstür meines und des andern Zimmers gelauscht hatte, so gab ich unklugerweise eine mir gegen den Prayer-man zur Verfügung stehende Waffe, mit welcher ich ihn später niederschlagen konnte, aus der Hand und machte es mir dadurch unmöglich, ein Verbrechen zu verhüten, dessen Verhinderung in meine Hände, aber auch nur in die meinigen, gegeben war. Darum mußte ich jetzt schweigen.
    Nach einiger Zeit kehrte Watter zurück; er brachte den Prayer-man mit, welcher sehr malade tat, obgleich er ein ganz und gar nicht katzenjämmerliches Aussehen hatte. Er aß sogar mit großem Appetite, während Watter behauptete, daß es ihm unmöglich sei, einen einzigen Bissen zu genießen. Auch dieser Umstand zeigte, wer von den beiden der eigentlich oder wirklich Betrunkene gewesen sei.
    Sie unterhielten sich zunächst über ihre Wette, dann aber auch über andere Dinge, wobei sie jede Gelegenheit benutzten, mir eine Beleidigung zuzuwerfen. Ich tat, als ob ich sie gar nicht sprechen höre, und ging dann fort, um erst einen Besuch bei Frau Hiller und dann einen Spaziergang zu machen, der mir nach der durchwachten Nacht Erfrischung bringen sollte. Als ich bei Mrs. Hiller diesen Spaziergang erwähnte, bat sie mich, mit ihrem Sohne daran teilnehmen zu dürfen, weil sie die Gelegenheit, mit mir Zusammensein zu können, möglichst ausnützen müsse. Die Höflichkeit verbot mir, nein zu sagen und sie wissen zu lassen, daß ein Westmann unter ‚Spazierengehen‘ etwas ganz anderes meint, als langsam neben einer Dame herzuschlendern und dabei nach einer den Geist und den Körper anstrengenden Nachtarbeit sich Mühe zu geben, ein angenehmer Gesellschafter zu sein.
    Aus der ausgiebigen Partie, welche ich vorgehabt hatte, wurde also ein ermüdend langsamer Bummel, der uns auch nach dem gestrigen Festplatze führte, über welchen wir nur hatten gehen wollen, ohne uns da aufzuhalten, denn weil das Fest vorbei war, glaubten wir, ihn leer zu finden. Es wurde aber, wie wir schon von weitem hörten, heute wieder geschossen, und es gab eine ziemliche Anzahl von Leuten da, welche den Scheibenständen eine solche Aufmerksamkeit widmeten, daß der junge Hiller hinging, um sich nach der Ursache zu erkundigen. Er kam nicht zurück, sondern winkte uns, nachzukommen. Wir erfuhren, daß ein höchst interessantes Wettschießen stattfinde, welches gestern von einem gewissen Mr. Watter angeregt worden sei und eine größere Dimension angenommen als man vorher beabsichtigt habe.
    Ich war der Zuschauer von hundert Wettschießen unter wohlgeübten Jägern im wilden Westen gewesen und hatte da wohl auch einmal selbst mitgeschossen; darum lag mir gar nichts daran, mir meine ohnehin nicht rosige Laune durch das Anstaunen stümperhafter Schießereien noch mehr verderben zu lassen; aber Frau Hiller war nun auch neugierig geworden, und so sah ich mich gezwungen, mit meiner sich heimlich dagegen sträubenden Person einen unfreiwilligen Zuwachs des anwesenden Publikums zu liefern.
    Das eigentliche, seit gestern für heut beabsichtigte Preisschießen war schon vorüber; es hatte über eine Stunde gedauert und einen für die hiesige Jägerkompanie unerwarteten Ausgang genommen, denn Watter war der Sieger gewesen. Man hatte geglaubt, daß die bei jedem Kampfe um einen Preis, also auch hier, unvermeidliche Aufregung nun vorüber sei und sich schon auf den Heimweg begeben wollen, da aber war Watter im Gefühle seiner Überlegenheit auf den Gedanken gekommen, den fünfzig Dollars betragenden Preis auf hundert Dollars zu verdoppeln und gegen einen gleichen Einsatz auf fünf Schüsse anzubieten. Keiner der Jäger war so überzeugt von seiner Geschicklichkeit oder so mutig gewesen, eine solche Summe gegen den bisher überlegenen Sieger zu wagen, da aber hatte zum allgemeinen Erstaunen der Prayer-man erklärt, daß er parieren wolle. Ein frommer Traktätchenhändler, welcher sich erbot, mit einem Westmanne auf hundert Dollars um die Wette zu schießen, das hatte ungeheures Aufsehen erregt. Ich sagte mir, daß wohl keiner davon so überrascht gewesen sei wie Watter selbst, und gestehe zu, daß mir dieses Schießen nun freilich viel interessanter

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