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geheftet hat, können Sie sich nicht mehr so einfach einen zur Brust nehmen!"
Man hörte einen dumpfen Schlag, als Jessica mit ihrem riesigen Fuß, Schuhgröße 42, auf Nicks Stiefel trat. Autsch!
„Tja, dann . .", sagte ich. „Wir nehmen kein Dessert, trotzdem vielen Dank."
„Wieder einmal missverstehen Sie meine Motive, Detective Berry", ließ sich Sinclair vernehmen. „Wenn ich ein wenig kurz angebunden bin, dann nicht, weil Sie sich dort aufdrängen, wo Sie ganz offensichtlich nicht willkommen sind ..."
Oh, wieder autsch. Jetzt ging's los.
„.. sondern weil mindestens die Hälfte des Personals unseres Hotels und wenigstens ein Drittel der Gäste Vampire sind."
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Ich erstarrte. Nick erstarrte. Sinclair stürzte seinen Merlot runter.
„Oh, Scheiße", sagte Nick mit einem Zittern in der Stimme, das ich bei ihm zum ersten Mal hörte. Und da begriff ich plötzlich: Nick war gar nicht wütend, in Wahrheit hatte er Angst.
„Wir sind nicht in Gefahr", sagte Jessica entschieden und ich hätte sie gerne gedrückt. Sie hatte wirklich Mumm, und das hatte nichts damit zu tun, dass sie reich war. Sie war einfach mutig. Mutig und unerschrocken und loyal, und wenn sie entschieden hatte, dass sie ausgerechnet in meinen Flitterwochen ein paar persönliche Dinge klären musste, dann würde ich ihr nicht im Wege stehen. Schließlich war sie es, die mich in den Arm genommen hatte, als ich von den Toten wiederauferstanden war.
„Sie sind der König und die Königin der Vampire", erklärte sie Nick, der so käseweiß geworden war, dass man sich Sorgen um ihn machen musste.
„Niemand wird uns anrühren, wenn sie es nicht befehlen. Obwohl sie vielleicht ein oder zwei auf uns hetzen werden, nur so zum Spaß, wenn du dich weiter wie ein Arschloch aufführst."
Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, Beifall zu klatschen. Und Sinclair in den Hintern zu treten, weil er vergessen hatte, dieses kleine Detail mir gegenüber zu erwähnen. „Wenn ich das richtig verstehe, hast du ein Hotel ausgesucht, in dem es von Vampiren nur so wimmelt?"
„Natürlich." Er hatte tatsächlich die Dreistigkeit, überrascht auszusehen. „Was hätte ich denn sonst buchen sollen? Das Personal kann uns jeden Wunsch erfüllen. Das Grange bot sich einfach an. Natürlich .. ", er warf Nick ein bösen Blick zu, „hatte ich nicht mit Gesellschaft gerechnet."
„Wie viele genau vom Personal?", fragte Nick mit einer Stimme, als würge ihn jemand. „Und wer genau?"
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„Das", gab mein Gatte zur Antwort, „werde ich Ihnen nicht verraten."
Jessica und ich sahen die Männer an, dann uns. Es war noch nie sehr unterhaltsam gewesen, dabei zuzusehen, wie zwei Männer herausfanden, wer am weitesten pinkeln konnte. Vor allem, wenn die Chancen so ungleich verteilt waren.
Nach einem quälend langen Moment sagte ich: „Jessica hat recht, Nick. Wir würden nie zulassen, dass sich jemand an euch vergreift."
„Du hast doch auch gerade erst davon erfahren, du dumme Schlampe!"
Sinclairs Faust krachte auf die Tischplatte, die prompt einen Riss bekam.
„Rede nicht so mit meiner Frau. Nie wieder."
„Schon in Ordnung, bitte nicht streiten, ich bin schon schlimmer beschimpft worden, bitte nicht streiten", bettelte ich. „Lasst uns einfach um die Rechnung bitten und gehen, okay? Oh, und, äh .. den Tisch bezahlen."
„Zurück in die Absteige, wo es von Vampiren nur so wimmelt?", rief Nick entsetzt.
„Nun, einen Block weiter gibt es ein Hilton."
„Hilton." Sinclair lächelte höhnisch. „Viel Spaß."
„Was hast du gegen die Hilton Corporation?", entgegnete ich. „Mal abgesehen davon, dass sie uns Paris beschert hat?"
„Ist das nicht mehr als genug?"
„Ich für meinen Teil habe jetzt mehr als genug", fuhr Jessica uns an. „Die Rechnung, bitte!"
Wir waren kaum bis zum Ende der Straße gekommen, da sahen wir schon das Blaulicht und die Menschenmenge. „Oho", sagte Nick. „Ein Tatort."
„Ein perfektes Ende für einen perfekten Abend", murmelte Sinclair.
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„Ihr bleibt hier. Ich sehe mal nach, was los ist."
„Du bist hier ein bisschen weit entfernt von deinem Zuständigkeitsbereich", rief ich ihm nach. „Ungefähr zweitausend Meilen!"
„Tausendfünfhundert", verbesserten mich Sinclair und Jessica wie aus einem Munde.
„Jetzt, wo er weg ist, kannst du uns vielleicht darüber aufklären, wie lange du es noch zulassen willst, dass er uns foltert?"
„Tut mir leid", sagte Jessica sofort. „Das war wohl doch eine ziemlich
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