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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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wo der Tote lag. Ein paar, die hinten standen, drängten sich noch nach vorn durch, dann standen sie ganz still. Eine Minute später rannte Pete Ascorda mit grünem Gesicht an mir vorbei.
    „Der Bericht der Spurenleute, Sir.“
    Potter schloß die Tür hinter sich, schob mir ein dünnes Bündel Papiere über den Schreibtisch und setzte sich in seinen Stuhl. Die ersten Ergebnisse waren noch dürftig, aber immerhin hatte man anhand der Fingerabdrücke schon feststellen können, um wen es sich bei dem Toten handelte. Der Mann hieß O’Neil. Seit drei Monaten wurde er wegen Mordes gesucht. Er hatte einen Polizisten umgebracht, der O’Neil beim Einbruch in einen Juwelierladen gestellt hatte.
    O’Neil hatte den Beamten niedergeschossen und war entkommen. Der Polizist starb zwei Tage später im Krankenhaus. Und nun war O’Neil, der brutale Raubmörder, selbst tot. Und er hatte einen Tod gefunden, der hundertmal schlimmer war als der seines eigenen Opfers.
     

Nachdem ich den Bericht gelesen hatte, rief ich im Leichenschauhaus an, ließ mich mit Dr. Hall verbinden. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn in der Leitung hatte. Er war noch mit O’Neil, oder dem, was von ihm noch übriggeblieben war, beschäftigt.
    „Wie sieht’s aus, Doc? Können Sie jetzt Näheres sagen?“
    „Hm, ich weiß nicht so recht …“, kam es gedehnt durch den Draht. „Je mehr ich mich mit der Leiche des Mannes beschäftige, um so rätselhafter wird für mich sein Tod.“
    Das klang ja unglaublich beruhigend.
    „’raus mit der Sprache“, sagte ich. „Ich bin auch mit Vermutungen zufrieden.“
    Sekundenlang war nur sein Atmen zu hören, dann erwiderte er: „Der Mann ist an Unterkühlung gestorben, Inspektor.“
    „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Wir haben August, Doc!“
    „Ich weiß das selber“, kam es resigniert zurück. „Aber ich kann nichts anderes sagen. Alles deutet auf einen Tod durch Erfrieren hin. Die Erfrierungen sind allerdings mehr innerlich. Wenn ich nicht übergeschnappt bin, dann glaube ich, gingen sie vom Blut aus. Der Körper des Mannes schien voller Eisblut zu sein. Knapp über dem Gefrierpunkt.“
    „Blut über dem Gefrierpunkt?“ wiederholte ich.
    „Ja, ich weiß, es klingt unglaublich.“
    „Und die Wunden?“
    „Alle nicht sofort tödlich. Das Opfer wurde erwürgt, starb aber an der bis jetzt noch unerklärlichen Unterkühlung seines Blutes. Am Hals sind tiefe Wunden, die wie Einstiche aussehen. Ähnlich wie die Spuren von Raubtierkrallen, nur etwas breiter.“
    Ich starrte Potter an, der steif wie eine Puppe dasaß und der Stimme Halls über den Zweitapparat lauschte.
    „Vielleicht haben Sie sich doch geirrt“, sagte ich. „Bitte überprüfen Sie das alles noch einmal, Doc.“
    „Das habe ich schon fünfmal getan, und ich werde es noch fünfmal tun“, antwortete Hall gereizt. „Aber eines weiß ich schon jetzt: Dieser Mann starb auf eine ganz unerklärliche Weise. Und wenn Sie mich fragen, Condell, dann wurde er das Opfer eines Wesens, dem ich nicht einmal am hellen Tag in hundert Metern Entfernung begegnen möchte.“
    Potter schluckte.
    „Was ist mit der Zunge?“ fragte ich leise.
    „Auch mit Spuren der Krallen.“
    „Und die Augen?“
    „Vermutlich eine Wahnsinnstat des Ermordeten. Die Spuren an seinen Fingern beweisen das. Allerdings bin ich noch nicht dahintergekommen, ob er sich damit selbst umbringen wollte, oder ob es eine Reflexhandlung war.“
    „Wie meinen Sie das, Doc?“
    „Es könnte durchaus sein, daß durch die Klauen der Bestie der innerliche Gefrierprozeß ausgelöst wurde. Der wahnsinnige Schmerz dürfte dann im Kopf begonnen haben. Stellen Sie sich einmal vor, Ihnen beginnt bei lebendigem Leib das Wasser der Augenkammern zu gefrieren, was würden Sie da wohl tun?“
    „Verstehe“, sagte ich leise. „Bitte, schicken Sie mir so bald wie möglich einen ersten Bericht.“
    Ich legte den Hörer zurück, sah zu Potter. Der Sergeant starrte immer noch auf den schwarzen Apparat. Er merkte kaum, daß Hall schon aufgelegt hatte.
     

     
    Die Reporter hatten Wort gehalten, aber ihre gutgemeinten Warnungen brachten die Bevölkerung trotzdem in Aufruhr. Schlimm wurde es, als BBC die Sache in den Nachrichten brachte und ein kurzes Interview eingeblendet wurde, das der Arzt gab, der die beiden Hafenarbeiter untersucht hatte.
    Mein Chef, Mr. Tright, trommelte eine Sonderkommission zusammen, die fortan nur noch an diesem einen Fall arbeiten sollte. Rasch und zügig sollte es

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