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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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eine Puppe soll er gegangen sein und dabei ein Gesicht gemacht haben, als lausche er einer für den Italiener unhörbaren Stimme.“
    Der Sergeant schwieg. „Das ist alles“, meinte er dann. „Ich dachte, es wäre vielleicht wichtig.“
    „Danke“, sagte ich leise. „In dieser Sache ist alles wichtig, Sergeant. Wenn Ihnen noch etwas auffällt, rufen Sie uns sofort an.“
    Ich legte auf. Dan Reed sah mich fragend an.
    „Etwas über unser Wesen aus der anderen Welt?“
    „Ja. Es scheint, daß es telepathische Fähigkeiten besitzt. Als O’Neil sein Hotelzimmer verließ, soll er in einem Trancezustand gewesen sein.“
    „Vielleicht ist er dann erst aufgewacht, als er der Bestie gegenüberstand“, sagte Potter erschauernd. „Entsetzlich, dieser Gedanke.“
    Das Pochen hinter meinen Schläfen war inzwischen intensiver geworden, der Schmerz in einen dumpfen Druck übergegangen, der mir den Kopf zu zerspringen drohte.
    Dan blickte mich besorgt an.
    „Was ist mit dir, John? Du siehst plötzlich so blaß aus.“
    „Ich weiß auch nicht. Ich fühle mich den ganzen Tag schon nicht wohl. Seit ein paar Stunden habe ich heftige Kopfschmerzen, und jetzt beginne ich innerlich zu frieren.“
    Dan rollte lachend mit den Augen.
    „Die Bestie vom East-India-Dock hat wieder zugeschlagen. John, ich hoffe nicht, daß dir das Blut gefriert. Aber im Ernst jetzt: Ich finde, du siehst wirklich schlecht aus. Du solltest dich sofort in die Koje hauen.“
    „Es wird das beste sein“, sagte ich zerstreut. Ich hatte da eben ein Bild gesehen. So, wie man eine Erinnerung sieht. Schemenhaft war das Gesicht eines Mannes vor mir aufgetaucht, das mich an irgend jemanden erinnerte. Doch an wen nur? An wen?
    „Vielleicht sollte Potter dich nach Hause fahren, John“, hörte ich Dans besorgte Stimme.
    „Keine Sorge“, sagte ich. „Es wird schon gehen. Mir war da nur eine verwischte Erinnerung gekommen eben …“
    „Gute Nacht“, sagte er.
    „Gute Nacht“, antwortete ich.
    Draußen auf dem Gang war es kühl.
     

     

Komisch, nun liege ich im Bett und schlafe nicht ein. Den ganzen Tag über war mir hundeelend, ich war müde und wie ausgelaugt, und nun kann ich nicht schlafen! Teufel noch mal, wie verdreht so ein Innenleben doch sein kann.
    Wie war das noch im Büro gewesen, kurz bevor ich nach Hause fuhr? Die Erinnerung, der Gedanke – ein Bild, das hinter einer Mauer des Vergessens zu schlummern scheint. Da war ein Kopf, ein Gesicht. Es lächelte, so schien mir, aber woran erinnerte es mich? An wen? Irgendwie habe ich das Gefühl, daß es etwas mit dem Toten vom Dock zu tun hat. Waren es die Züge O’Neils, die ich schwach und schemenhaft zu erkennen glaubte? Nein, unmöglich! Ich habe die Fotos des Polizistenmörders gesehen. O’Neil hatte ein grobschlächtiges Gesicht, kantig und wie aus hartem, porigem Holz geschnitzt. Das Gesicht aus meiner Erinnerung wirkte feiner. Fein, aber ungeformt. Seltsam, aber jetzt fällt es mir auf: Das Gesicht ist am Reifen, es ist noch unfertig. Vielleicht existiert es gar nicht, und deswegen sehe ich es immer nur undeutlich vor mir.
    Ich spinne! Ein Gesicht, das es nicht gibt und an das man sich dennoch erinnert? Völliger Blödsinn!
    Ich schließe die Augen, drehe mich auf den Rücken. Es schmerzt ein wenig. Ähnlich wie starker Muskelkater. Dann ist da noch dieses feine, leise Ziehen in den Gelenken. Kein richtiger, kräftiger Schmerz, aber es macht mich fast wahnsinnig. Vielleicht gerade deshalb, weil es eben nicht richtig weh tut. Ich sollte mal ausspannen. Wirklich! Urlaub, Schlaf und Abschalten, das fehlt mir.
    Potter wird auch eine schlaflose Nacht haben, denke ich. Ich versuche mir auszumalen, wie er mit angstvollen Augen im Bett liegt und die Zimmerdecke anstarrt, aber es gelingt mir nicht. Komisch! Ich weiß doch, wie er aussieht, der Sergeant. Warum kann ich ihn mir jetzt nicht vorstellen? Ich konzentriere mich darauf, doch kein Bild taucht vor meinem geistigen Auge auf. Es ist, als fände ich einfach nicht die Kraft dazu, mich auf eine Sache zu konzentrieren. Wie eben, mit dem Gesicht.
    Eben? Was war eben? Woran dachte ich? Ich glaube, der Schlaf überwältigt mich schließlich doch. Meine Gedanken verschwimmen in einem einzigen Wirrwarr von oberflächlichen Eindrücken. Es gibt keine Konzentration mehr, kein Nachdenken. Ich liege einfach da, eingelullt von meiner Müdigkeit, denke nichts, fühle nichts, warte auf den Schlaf.
     

     
    Die Knochen tun mir weh. Ich beginne zu frieren,

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