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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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das Ziehen in meinen Gelenken wird stärker, aber es berührt mich nicht in diesem eigenartigen Schlaf-Wachzustand. Jemand atmet, glaube ich. Ruhig, leise und verhalten. Da ist wieder das Gesicht. Eine Spur deutlicher als vor einigen Stunden. Es lächelt. Lippen öffnen sich.
    „Hallo, John …“
    „Hallo.“
    Habe ich geantwortet? Oder geträumt? Oder mir das alles nur eingebildet? Es ist gleichgültig. Im Grunde ist alles gleichgültig. Nur das Böse nicht. Das Böse ist schlecht, muß vernichtet werden, weil es sonst wie eine Pest um sich greift. Die Schmerzen wachsen, glaube ich. Ich begreife das nicht, spüre sie nicht und fühle doch in seltsamer Apathie, daß sie da sind. Und nicht nur die Schmerzen. Da war ein kühler Windhauch eben. Oder der Atem eines Menschen? Ja, ich glaube, ich spüre seine Gegenwart.
    „Hallo, John …“
    „Ja“, flüsterte ich.
    Es ist meine Stimme. Ich habe geantwortet. Das Blut beginnt jetzt wie verrückt in meinen Schläfen zu pochen. Ich versuche mit der letzten entfliehenden Kraft gegen den neuen Schmerz anzukämpfen, aber es ist sinnlos. Meine Energie weicht aus meinem Körper wie die Luft aus einem Ballon.
    „Mir ist kalt“, sagte ich kaum hörbar. „So schrecklich kalt …“
    Die Gestalt stand da, wartete geduldig.
    Der Tod hat Zeit. Er bekommt seine Opfer. Früher oder später kriegt er sie immer. Dieses Mal bog das Opfer kurz vor Mitternacht in einem roten Austin um die Ecke. Es fuhr langsam und ahnungslos auf die Einfahrt des Hauses zu.
    Für einen Sekundenbruchteil wurde die hohe Gestalt von den hellen Lichtkegeln erfaßt, dann war der Wagen vorüber, verschwand in der Garage, neben dem Haus.
    Das Opfer war gekommen.
    Die Gestalt setzte sich in Bewegung. In der Garage erstarb das Motorengerausch, eine Tür klappte, dann war Stille. Die Gestalt verharrte regungslos hinter der Mauer, an der sie sich zum Garagentor geschlichen hatte. Plötzlich wurden die Lampen über der Garage und der Haustür eingeschaltet, und der Schatten des Opfers ragte über das Ende der Mauer hinaus.
    „Hallo, Claudia, bist du’s?“
    Der Mann im Dunkeln lächelte kalt, seine Faust umfaßte den Schaft des schweren Beils noch fester. Er war stolz auf dieses Beil. Henker und Scharfrichter hatten Enthauptungswerkzeuge dieser Art vor Jahrhunderten besessen. Und nun er …
    Er machte einen kleinen Schritt auf die Ecke zu, hinter der sein Opfer, Peter Haley, stand und in die Dunkelheit starrte. Es knirschte leise, als seine Beine einmal an der rauh verputzten Außenwand der Garage vorbeistreiften. Sofort blieb er stehen.
    „Da ist doch jemand!“ sagte Haley.
    Der Schatten hinter der Mauer wuchs. Peter Haley bog um die Ecke und versuchte mit seinen Blicken das Dunkel neben der Garage zu durchdringen. Aber er war noch geblendet von den brennenden Lampen und starrte halbblind in die Dunkelheit. Dann kehrte er wieder um. Die Gestalt stapfte weiter, den halbnackten Körper hoch aufgerichtet. Das zerfetzte Hemd bewegte sich leicht im Wind, und als der Mann um die Ecke der Garageneinfahrt bog, brach sich der Schein der Lampe auf der schimmernden Haut, die wie rissiges, zersprungenes Eis aussah. Der Kopf des Wesens war kahl, das Gesicht scharf und hartgeschnitten, der Blick erinnerte an Tod, Leere und Gleichgültigkeit.
    Die Gestalt blieb vor dem offenen Garagentor stehen. Haley wollte es gerade schließen und drehte ihr dabei den Rücken zu.
    „Hallo, Haley …“, kam es dumpf über die Lippen des Wesens. „Ich bin gekommen, dich zu töten.“
    Das Opfer wirbelte herum.
    Im ersten Moment stand Peter Haley vor Entsetzen gelähmt da, konnte sich nicht bewegen. Dann schrie er auf, taumelte entgeistert zurück, stieß gegen seinen Wagen, rappelte sich wieder auf. Von der Garageneinfahrt her hörte er einen unwilligen Grunzlaut, dann stapfte das Monstrum mit knirschenden, schweren Schritten heran. Lieber Himmel, dachte Haley, während er verzweifelt nach dem richtigen Schlüssel für die Wagentür suchte, die er eben abgeschlossen hatte. Heute nachmittag las ich es noch in der Zeitung. Ich habe darüber gelacht, glaubte, daß dem Reporter die Phantasie durchgegangen ist, und nun steht es in meiner Garage, dieses … dieses …
    Fieberhaft und mit bebenden Händen versuchte er den Schlüssel ins Schloß zu schieben. Einsteigen, Tür zuknallen und losfahren! schrie eine Stimme in seinem Gehirn. Sie sollen dich nicht so finden wie diesen Polizistenmörder in den Docks!
    Der Schlüssel fiel klappernd zu

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