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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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Boden, es quietschte hinter ihm, als die Hüfte der Bestie am Kotflügel seines Austins entlang streifte. Dann spürte er die Kälte, die von diesem Ungeheuer ausging. Er ließ sich nach vorne fallen, kroch auf allen vieren weiter.
    Das Grauen folgte ihm unerbittlich. Es kam mit Eis und schweren, roboterhaften Schritten; kam mit glühenden Augen und maskenhaft starrem Gesicht; kam mit stämmigem Körper, breiter, muskulöser Brust und einer Haut, die ein Glaspanzer zu sein schien.
    Da war die Wand, die Nische, aus der es kein Entkommen mehr gab. Die böse, schimmernde Fratze des Glasungetüms kam näher, knirschend erhoben sich die Arme des Wesens. Haley begann zu schreien, brüllte all seine Angst heraus, all sein Grauen und wenige Sekunden später auch seine Wärme und sein Leben.
    Zehn starre, kalte Finger schlössen sich um seinen Hals. Spitze Dornen schienen sich in das weiche Fleisch zu bohren. Unerträgliche, zum Wahnsinn treibende Schmerzen durchströmten ihn. Er schrie, brüllte, spürte kaum noch, wie eine der verkrallten Hände sich wieder löste, wie sie sich tief in seinen geöffneten Mund schob, wie sich die Finger um seine Zunge spannten.
    Da war nur diese furchtbare Kälte, die durch den Hals kroch, die Brust lähmte und sich wie eine Spinne einen Eingang zum Hirn suchte. Entsetzlicher Schmerz preßte sich von innen gegen seine Augenhöhlen, er wollte die Arme hochreißen, sich von diesem Schmerz befreien, aber er stieß gegen etwas Hartes, Festes – den Arm seines entsetzlichen Richters.
    Er schlug zu. Mit allem, was noch in seinem Körper steckte, ließ er die geballte Faust auf das Gesicht zu sausen, das als verschwommene, grinsende Fratze dicht vor seinen Augen schwebte. Etwas knirschte überlaut und häßlich in seinen Ohren, dann kroch die eisige Kälte in sein Gehirn. Ihm war, als preßten sich die Krallen der Bestie direkt um sein qualvoll zuckendes Herz. Aber das war nur noch ein flüchtiges Bild, kein bestehender, fester Gedanke mehr.
    Der Eindruck verwischte. Das Eis im Schädel fraß, zerstörte, preßte die Augen aus den Höhlen.
    Als Peter Haley zu Boden sank, war er innerlich kaum noch von einem Eisbrocken zu unterscheiden.
     

     

Ich hatte schlecht geschlafen in dieser Nacht. Ausgesprochen schlecht! Ein Alptraum hatte den anderen abgelöst. Ich fühlte mich wie erschlagen, als ich mich am kommenden Morgen unter die Dusche schleppte. Vermutlich hing der schlechte Schlaf mit dem Ereignis am East-India-Dock zusammen.
    Lange Zeit stand ich unter der heißen Dusche. Meine Gelenke kamen allmählich wieder in Gang, und nachdem ich mich zum Schluß kalt abgebraust hatte, weckte der in Schwung kommende Blutkreislauf all meine Lebensgeister.
    Der Abend fiel mir wieder ein, das Gesicht, von dem ich im Halbschlaf geträumt hatte. Die Stimme! War ich auf dem besten Wege, verrückt zu werden? Oder war tatsächlich jemand in meinem Zimmer gewesen? Ich hatte einen kalten Windhauch gespürt, einen Luftzug. So, als wäre jemand eingetreten. Und dann war die Stimme erklungen. Diese freundliche, einlullende Stimme!
    Die Lust zu einem ausgiebigen Frühstück war mir vergangen. Nachdem ich mich abgetrocknet und angekleidet hatte, trank ich im Stehen einen Kaffee, packte mir zwei Stücke drei Tage alten Streuselkuchen in eine Tüte und verließ das Haus. Der Himmel war trotz des frühen Morgens schon so blau wie ein Mittagshimmel an der Adria. Ein paar Vögel sangen munter drauflos, und ich fühlte mich wieder halbwegs fit für den Tag.
    Potter wartete ausnahmsweise nicht auf dem Hof auf mich. Ich fuhr mit dem Lift in mein Büro hinauf. Dan Reed war auch eben gekommen. Er sah grinsend auf seine Armbanduhr.
    „Sieben Uhr erst, John. Heute hatten wir’s aber sehr eilig.“
    Er lachte, trat ans Fenster und starrte auf den Hof hinunter. Es klopfte. Dr. Hall trat ein. Er sah müde und übernächtig aus. In der Hand trug er eine Mappe mit Papieren.
    „Hier, der Bericht“, sagte er und legte die Akte auf meinen Schreibtisch. „Wir haben zu viert die halbe Nacht daran gesessen. Eines kann ich im voraus sagen, Condell: Ihr Frankenstein versteht es, einem armen Polizeiarzt Rätsel aufzugeben. Verdammt gut versteht er es.“
    „Und – ist das Rätsel gelöst, Doc?“ Dan drehte sich um und sah den kleinen Mann neugierig an. Dr. Hall lächelte säuerlich und schüttelte den Kopf.
    „Einiges konnten wir klären. Aber vieles wird im dunkeln bleiben, bis wir diese Bestie auf dem Seziertisch liegen haben,

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