0607 - U-Bahn ins Jenseits
hatte die Augen entzündet.
In der Wohnung atmeten wir zum erstenmal tief durch. Ich mußte fast nur husten, krümmte mich zusammen und sah vor meinen Augen Sterne blitzen.
Suko lehnte an der Dielenwand. Er wischte durch seine Augen, fand den Weg ins Bad und kam mit einem gefüllten Gefäß zurück.
Zuerst spülte er sich mit dem Wasser die Augen aus, dann war ich an der Reihe. Nun ging es uns etwas besser.
Das Feuer blieb im Keller, es breitete sich nicht aus, auch der Rauch verdünnte sich immer mehr. Unter der Türritze quoll er in faden Streifen.
»Zu ihr!« keuchte ich. »Wir müssen rüber, Suko.«
»Okay.«
Sekunden später hatten wir das Haus verlassen und freuten uns, endlich im Freien zu sein.
Hier ließ sich die Luft atmen. Sie war frei von Rauch und Qualm.
Mir wollte das Bild nicht aus dem Kopf, das ich im Keller gesehen hatte. Wie eine Statue hatte die Frau am Ende des Ganges gestanden und hatte etwas in ihren Händen gehalten.
Der Länge nach hätten es messerscharfe Waffen sein können.
Wenn das stimmte, dann stand sie möglicherweise unter dem Einfluß des Teufels und hatte uns nur etwas vorgespielt. So hilflos und unschuldig war sie nicht. Wie hier die Fäden gezogen waren und welche Rolle Kaifas dabei spielte, würden wir noch herausbekommen, das stand fest.
Ich hetzte geduckt auf das andere Haus zu. Suko hielt sich an meiner Seite. Noch immer brannte dort Licht, alles sah völlig harmlos und normal aus.
Mein Freund überwand die Treppe mit einem Sprung und klingelte sofort.
Diesmal dauerte es weniger lang, bis Carol Lindsey erschien und uns öffnete.
Wir starrten sie an, sie starrte uns an. Während wir stumm blieben, fand sie als erste die Sprache wieder. »Was… was ist denn mit Ihnen geschehen?«
»Wieso?«
»Mr. Sinclair, Sie müßten sich mal im Spiegel sehen. Das… das ist kaum zu fassen.«
»Ach ja?«
»Ja, ihr Gesicht ist gerötet und um die Augen herum aufgequollen. Sie… Sie sehen aus, als hätten Sie geweint. Und bei Ihrem Partner ist es nicht anders.«
»Vielleicht haben wir auch geweint. Dürfen wir reinkommen?«
»Sicher.« Sie gab den Weg frei. Ich schritt schnell ins Haus, schaute mich in der Diele um, ohne eine Veränderung zu bemerken. Suko ließ Carol Lindsey vorgehen. Er schloß hinter ihr die Tür und fragte gleichzeitig. »Waren Sie im Keller?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Die Antwort gab ich. »Weil wir Sie dort gesehen haben.«
Carol Lindsey ließ sich nach hinten fallen, wurde von der Wand gestoppt und lachte. »Machen Sie immer diese Scherze?«
»Nein, nur zu einer Zeit, wenn uns danach zumute ist, Mrs. Lindsey. Das ist diesmal nicht der Fall. Wir sind nicht gekommen, um Scherze zu machen, wir wollen wissen, ob Sie Ihren Keller betreten haben, und wenn ja, was dort geschah.«
»Nichts, nichts…«
»Waren Sie im Keller? Ja oder nein!«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß ich Ihnen da Rechenschaft schuldig bin, Inspektor.«
»Kommen Sie mit.«
»Wohin denn?«
Suko umfaßte den Arm der Frau. »In den Keller. Wir möchten gern mit Ihnen zusammen den Keller besichtigen, das ist alles, Mrs. Lindsey. Wenn Sie ein reines Gewissen haben, brauchen Sie ja nichts zu befürchten, finde ich.«
»Tut mir leid, ich habe keine Lust, mit Ihnen in den Keller zu gehen. Ich bleibe hier.«
»Nein!« Sukos Stimme klang entschlossen. Und ebenso entschlossen zog er die Frau mit, die heftig protestierte und davon sprach, daß Suko ihr wehtat.
Ich griff nicht ein, stand jedoch auf der Seite meines Freundes. Mir war klar, daß hier etwas lief, über das wir uns nicht nur Gedanken machen mußten. Wir mußten auch herausfinden, ob wir uns getäuscht hatten oder nicht.
Den Weg nach unten fanden wir auch ohne Carols Hilfe. Vor der Kellertür blieb Suko stehen, er hielt die Frau weiterhin fest. »Sie haben noch eine Chance, Mrs. Lindsey, sagen Sie uns die Wahrheit!«
»Welche?«
»Die ganze.«
»Die kennen Sie. Kaifas hat seine Familie getötet. Er handelte auf Anordnung des Teufels. Ja, Sie kennen die Wahrheit, mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Gut, dann werden wir uns eben gemeinsam davon überzeugen.«
Suko zog mit einer heftigen Bewegung die Tür zum Keller auf und schaute auf eine Steintreppe, deren Stufen sehr bald erhellt wurden, als ich das Licht eingeschaltet hatte.
Carol stemmte sich gegen den Boden. Sie wollte nicht in die Tiefe gezogen werden.
Suko kannte kein Pardon. Selten in der letzten Zeit hatte ich ihn so aufgedreht erlebt.
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