061 - Der Blutgraf
nicht bewußt, die von einem Vampir ausgeht, Angela.«
»Doch, ich weiß Bescheid.«
»Trotzdem würden Sie verhindern wollen, daß man den Blutsauger unschädlich macht? Warum?«
»Ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen noch ein Geheimnis anvertrauen zu können, Miß Bonney«, sagte Angela Giordo kalt lächelnd. » Mein Geheimnis.«
Sie stellte ihr Glas weg und öffnete langsam den Rüschenkragen ihres Modellkleids. Sie zog den Kragen an der rechten Halsseite ein wenig zur Seite, und Vicky Bonney starrte fassungslos auf die beiden Punkte über der Halsschlagader.
Der Biß eines Vampirs!
»Ich bin Conte Cassandrinis Blutbraut«, gestand das junge Mädchen freimütig. »Er wird mich zu seiner Gefährtin machen. Begreifen Sie jetzt, wieso ich niemals zulassen würde, daß man ihn vernichtet? Ich werde bald so sein wie er. Wir treffen uns oft und ganz heimlich. Niemand weiß davon, auch mein Vater nicht. Ich bin Marcos' Auserwählte. Mein Blut ist für ihn etwas Besonderes. Eine Köstlichkeit. Ich werde sterben, aber nicht so schnell wie die andern. Bald wird kein Tropfen Blut mehr in meinen Adern sein. Dann werde ich so sein wie Marco. Ich werde zu ihm auf sein Schloß gehen und mit ihm für immer zusammenbleiben. Und ich werde mich auch von Blut ernähren. Wie Conte Cassandrini.«
Erschüttert und zutiefst entsetzt hatte Vicky Bonney zugehört. »Sie dürfen es nicht soweit kommen lassen, Angela. Noch sind Sie nicht verloren; Sie können noch gerettet werden!«
»Das will ich nicht.«
»Weil Cassandrini Sie bereits vergiftet hat. Sie sehnen sich nach ihm, obwohl Sie wissen, daß er Ihr Verhängnis ist. Sie wollen, daß er Ihr Blut trinkt, obwohl Ihnen klar ist, daß er Sie damit tötet.«
»Es macht mir nichts aus.«
»Angela, Sie müssen sich helfen lassen. Sie sind verblendet. Es ist nicht wahr, daß Sie wirklich sterben wollen. Es ist der Wunsch des grausamen Vampirs. Sie müssen dagegen ankämpfen, dürfen diesen schrecklichen Blutsauger nicht mehr sehen, müssen ihm fernbleiben. Tragen Sie ein geweihtes Silberkreuz um den Hals, hängen Sie Knoblauch in Ihr Zimmer, schlafen Sie bei geschlossenem Fenster, beten Sie am Tag und nehmen Sie ein starkes Schlafmittel, bevor Sie zu Bett gehen. Wagen Sie sich bei Anbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus, dann kann Ihnen der Blutsauger nicht mehr gefährlich werden. Wenn Sie all das genau befolgen, können Sie von der furchtbaren Vampirkrankheit geheilt werden.«
»Ich werde nichts von all dem tun, Miß Bonney«, sagte das Mädchen hart.
»Dann… dann werde ich Sie zwingen… O…« Vicky faßte sich an die Schläfen, merkte, daß sie schwankte.
Sie schaute Angela Giordo an. Zuerst verwundert, dann erschrocken.
Das Mädchen lachte gemein.
Vicky hatte den Eindruck, das Gesicht der jungen Italienerin würde zerfließen.
»Angela… mir ist so komisch…«
»Das wundert mich nicht«, sagte die Tochter des Verlegers spöttisch. »Ich habe etwas in Ihren Sherry getan. Sie werden gleich umfallen.« Und schon passierte es…
***
Vladek Rodensky holte uns vom Flugplatz ab. Ich nahm an, Vicky müsse irgendwelchen Verpflichtungen nachkommen, und erkundigte mich deshalb nicht nach ihr.
»Wie war die Mitternachtsmodenschau?« wollte ich wissen. »Ist es wirklich eine so tolle Attraktion?«
»Es gibt auf der ganzen Welt nichts Vergleichbares«, sagte unser Freund. Wenn er das behauptete, stimmte es, denn er kam viel in der Welt herum, sowohl beruflich als auch privat.
Ich freute mich ehrlich, Vladek wiederzusehen. Wenn er sich auch freute, konnte er es gut verbergen.
Wir strebten dem Ausgang zu. Eine rassige Italienerin drehte sich nach Mr. Silver um. Ihr Blick saugte sich an dem Hünen mit den Silberhaaren fest, und ich sah, wie er sie angrinste.
»Der Herzensbrecher vom Dienst ist zur Zeit Adriano Celentano«, sagte ich. »Willst du ihm den Rang ablaufen?«
»Hübsch, die Kleine«, sagte der Ex-Dämon.
»Soll ich sie nach ihrer Telefonnummer fragen?«
»Nicht nötig, die habe ich schon«, erwiderte der Hüne. Er hatte dafür wieder einmal seine übernatürlichen Fähigkeiten mißbraucht.
Vladek Rodensky hatte seinen fahrbaren Untersatz auf Hochglanz polieren lassen. Nachdem ich meine Reisetasche in den Kofferraum gestellt hatte, hielt ich Vladek am Ärmel fest.
»Ich habe dich schon mal fröhlicher erlebt. Was ist dir über die Leber gelaufen?«
Vladek nagte an der Unterlippe.
»Nun komm schon, spuck's aus.«
»Ich wollte euch damit nicht
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