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061 - Der Fuerst der Finsternis

061 - Der Fuerst der Finsternis

Titel: 061 - Der Fuerst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ball
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ihn mit einer derartigen Verständnislosigkeit an, daß Jerry fast den Mut verlor. Wie konnte es nur derart unintelligente und schwerfällige Menschen geben. Er sprang auf.
    „Warten Sie einen Augenblick. Ich hole die Kappe. Und wenn Sie dann noch immer nicht überzeugt sind, dann gehen Sie am besten selber in den Keller und sehen nach.“
    Er rannte fast Bill Ainsley um, der in der Küchentür stand.
    „Und was ist mit den Brindleys?“ rief er noch über die Schulter zurück.
    „Ja, Junge …“, rief Bill, aber Jerry war schon an ihm vorbei.
    Jerry öffnete die Tür zur Gaststube, fest entschlossen, diese ganze lächerliche Geschichte zu einem Ende zu bringen. Doch er blieb wie angewurzelt stehen, als er die ganze Mädchenschar dicht um den Kohlenbehälter versammelt sah. Brenda stand da, über den Behälter gebeugt, das Kerzenlicht flackerte unruhig, bewegt durch den Luftzug, den die sich wiegenden Mädchenkörper verursachten. Ein Geruch nach Verdorbenheit hing in dem schäbigen Raum, mit einer Spur von Verwesungsgeruch.
    Die Kappe.
    Gegen seinen Willen bewegte er sich vorwärts, doch die Mädchen nahmen keinerlei Notiz von ihm.
    „Verzeihung!“ sagte er laut und drängte sich an Amanda vorbei. Ihr Körper war hart wie Stahl, und er brauchte seine ganze Kraft, um sie wegzuschieben. Plötzlich befand er sich inmitten der Gruppe. Brenda beugte sich noch tiefer über den Kohlenbehälter, und plötzlich sah er ekelhafte Dinger, die über den schmutzigen Boden krochen und sich wanden. Sie krochen in Schattenmustern zwischen dem Feuer und dem Messingbehälter. Jerry erschauerte bei dem Anblick, der sich ihm bot. Die schimmelige Kappe lag ausgepackt vor dem Kohlenbehälter, wie eine Opfergabe auf dem Altar. Und Brendas Hände zeichneten über den tanzenden Messingfiguren Muster, woben verwirrende Linien, die in Jerrys Gehirn einzudringen schienen, in seine tiefsten, längst vergessenen Ängste, in die Ursprünge seines ganzen Selbst. Das Böse wuchs innerhalb des magischen Kreises, den die Mädchen gebildet hatten. Brendas tätowierte Hände wanden sich in schlangenartigen Bewegungen und dirigierten die Mädchen wie Marionetten, die sich nun im gleichen Rhythmus wanden wie diese Hände. Jerry versuchte, sich zu bewegen, aber ein anderer stählerner Körper hinderte ihn daran. Die Arme der Mädchen schlossen sich in einem Kreis um ihn, um ihn daran zu hindern, seinen Platz zu verlassen. Jerry blickte in die Augen der Mädchen. Sie weilten ferne von hier. Amanda. War sie noch Amanda? Julie. Sie schien zehntausend Jahre in die Vergangenheit entrückt zu sein.
    „Julie!“ rief Jerry, sich räuspernd, um seiner Stimme wieder die alte Festigkeit zu geben. „Entschuldige, meine Liebe.“
    „Warte!“ flüsterte Brenda. „Warte, Jerry, sieh mal!“
    Er wagte nicht, sich umzudrehen, weil er wußte, daß der Messingbehälter Dinge ausspie, dunkle und unvorstellbare Dinge, die besser ungesehen blieben. Nein, sagte er zu sich selbst. Es gibt nichts, was meinen Willen beeinflussen kann! Keine Macht der Welt würde ihn dazu bewegen können, sich umzudrehen.
    Brenda kam lautlos und gleitend auf ihn zu, mit den Bewegungen eines Phantoms, und starrte ihm in die Augen, mit ihrem typischen, leeren, rauchdunklen Blick. Jerry fühlte sich in einen tranceähnlichen Zustand versetzt. Er fühlte sich wie damals, als er dem Tod so nahe gewesen war. Seine Gedanken begannen, durcheinander zu wirbeln, als die Mädchen Brendas Bewegungen fortsetzten. Er erkannte, daß die Figuren aus Messing nicht das Werk eines längst vergessenen Künstlers waren, sondern Kräfte, die weiß Gott wie lange in das Metall gebannt gewesen und nun, frei geworden, zu neuem Leben erwachten. Kräfte, die imstande waren, von einem schwachen Willen Besitz zu ergreifen. Und er konnte nichts dagegen unternehmen.
    Brendas Mund öffnete sich. Weiße scharfe Zähne, dünne rote Lippen im gelben Licht der Petroleumlampe, doch ihre Stimme war nicht mehr die alte. Sie war dunkel und rauh geworden, eindringlich und aus geheimnisvollen Tiefen kommend.
    „Bleib dem geheimen Ort fern.“ Die Töne kamen bebend aus der schlanken Kehle. „Sprich nicht über jenen Ort.“
    „Ich glaube, ich habe wieder Fieber“, versuchte Jerry mit normaler Stimme zu sagen. „Ich sehe so merkwürdige Bilder. Julie, glühe ich nicht vor Fieber? Brenda … ich fühle mich nicht wohl.“
    Der Kreis um ihn wurde immer enger. Der Kreis, den die Mädchen um ihn gebildet hatten. Mädchen?

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