061 - Der Fuerst der Finsternis
heraufzuholen. Am Nachmittag, während Sie schliefen.“ Er wagte noch immer nicht, Jerry gerade in die Augen zu blicken.
„Sie waren im Tunnel? Haben Sie die Leichen gesehen?“
„Er hätte es nicht gewagt!“ fuhr Mrs. Raybould dazwischen. „Ich habe aufgepaßt, damit er keine Dummheiten macht. Hinter ihm habe ich die Kellertür wieder fest abgeschlossen.“
Raybould deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Dafür habe ich aber das gefunden. Ich hab das Ding mittlerweile in dieses Schränkchen unter der Spüle gelegt.“
Jerry humpelte durch die Küche und öffnete das Schränkchen. Das besagte Ding war eine Tasche, schmutzig und verschimmelt, einst sicher aus kostbarem Leder, nun aber eine verquollene, gallertartige Substanz.
„Was ist das?“ wollte Bill wissen. Seine Neugier war wieder geweckt. „Ein Schulranzen?“
Jerry hielt es eher für einen Ranzen, wie ihn früher die Wanderburschen trugen, ehe der Rucksack erfunden wurde.
„Das Ding sieht sehr alt aus“, meinte Raybould.
Sukie verbellte das übelriechende Ding. Sie wollte es haben. Der Fäulnisgeruch, der von der Tasche ausging, schien ihr zu behagen.
„Wollen mal nachsehen, was drinnen ist“, erklärte Jerry und öffnete die Tasche. Sie war innen noch gut erhalten, da das weiche, lederne Innenfutter die Feuchtigkeit noch nicht so stark aufgesogen hatte. Zum Vorschein kamen eine kleine Tonflasche und ein ledergebundenes Buch. Der Einband war ein wenig feucht, die Metallschließe grünspanig. Jerry frohlockte. So mußte sich Schliemann gefühlt haben, als er seinen ersten Fund in der Hand hielt.
„Das Buch ist auch alt“, sagte Raybould. „Wem gehört es?“
„Das weiß ich nicht. Erst muß ich das Schloß aufbrechen. Ich nehme an, daß es dem alten Mann in den wunderlichen Kleidern gehörte, den ich unten sah.“
„Sie glauben, daß was dran ist?“ fragte Bill Ainsley.
„An dem Buch?“
„Nein. Ich meine, an dem, was Sie mir vorhin erzählten. Sie wissen schon … das mit dem Kalender.“
Jerry nahm ein Küchenmesser aus der Lade und versuchte, das verzierte Messingschloß des Buches aufzubrechen. Das Messer rutschte aus, und er hätte sich fast verletzt.
„Kalender?“ fragte er und sah auf.
„Ja. Walpurg …“
„Walpurgisnacht.“
„Was ist das, Walp …“, wollte Raybould wissen.
„Jerry sagte, daß es Ende April immer Scherereien gibt“, erklärte Bill. „Er hat das alles ganz genau erforscht. Das ist der Tag …“
„Nacht!“ korrigierte Jerry. Es hob sein Selbstgefühl, endlich etwas von seinem Wissen weitergeben zu können. Jetzt hatten wenigstens auch die anderen Grund, sich zu fürchten. Es war auch schon höchste Zeit.
„Wie?“
„Walpurga war eine Heilige im Mittelalter. Sie galt als milde und gütige Frau. Aber die Nacht vor dem Tag der Walpurga ist die letzte Nacht vor dem ersten Mai. Und diese Nacht war in den alten, heidnischen Religionen von besonderer Bedeutung. Damals brachte man noch Menschenopfer dar. Dies wird auch der Grund sein, warum später aus diesem Ritual Satansmesse und Hexenritual wurde. Das gab es auch hier, in dieser Gegend. In den hiesigen Legenden wird noch immer von Lord Titus gesprochen, der ja bekanntlich ein Satansbeschwörer war. Die Walpurgisnacht ist die Nacht, wo Satan seinen großen Sabbat abhält.“
„Die Nacht vor dem ersten Mai?“ rief Bill mit weit aufgerissenen Augen. Jerry sah, daß dem großen, derben Mann Schweiß auf der Stirn stand.
„Ja.“
„Das ist doch …“
„Heute nacht.“
Bill und die Rayboulds bestürmten Jerry mit Fragen, und Jerry war glücklich, sie nun über alles Wissenswerte informieren zu können. Die Zeit war gekommen, sich auf die zukünftigen Ereignisse vorzubereiten.
„Es gibt drei wesentliche Dinge, die wir in einer solchen Situation beachten müssen.“ Bill und das Ehepaar waren sichtlich bereit, sich seiner Intelligenz unterzuordnen. „Erstens, die Legende, die berichtet, daß die Brindleys im Drudenloch verschwanden. Mr. Raybould, gibt es sonst noch etwas Wissenswertes über die Brindleys?“
„Habe Ihnen alles erzählt, was ich weiß. Mrs. Starkie, die schon über Neunzig ist und alle diese Geschichten kennt, sagt, daß Lord Titus mit allen seinen Verwandten direkt ins Drudenloch hineintanzte, und daß keiner von ihnen jemals wieder herauskam. Alle blieben verschwunden. Vater, Sohn …“
„… und Großvater Brindley mit dem Bocksfuß“, schloß Jerry. „Wahrscheinlich hatte er einen
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