061 - Der Zinker
Verzweifelt schloß sie: »Ach, würden Sie so gut sein, ihn zu bitten, daß er endlich mit mir redet, Miss - Mrs. Sutton?«
Beryl stand auf.
»Ja, ich will ihn gern rufen.«
»Ich danke Ihnen sehr.« Es trat eine Pause ein. »Ich muß Sie jetzt natürlich ›Gnädige Frau‹ nennen?«
Beryl verzog gleichgültig den Mund und ging hinaus.
Millie Trent hörte, wie sie an der Tür zum Billardzimmer Frank beim Namen rief. Sie legte ihre Mappe auf den Schreibtisch, setzte sich davor und schaute abwesend, noch ganz mit ihrem Ärger beschäftigt, auf die wenigen Zeilen, die Beryl vorhin geschrieben hatte.
23
Während sie noch las, kam Frank Sutton eilig herein. Offenbar mußte er jetzt gehorchen! Er schloß die Tür.
»Hast du das gesehen?« Millie zeigte ihm den angefangenen Brief.
Er nahm ihn ihr aus der Hand und las:
›Mein lieber John, ich werde Dich nicht wiedersehen, aber ich möchte Dir wenigstens sagen, daß ich nie vergessen kann ...‹ »›Mein lieber John‹? Damit ist doch niemand anders als Leslie gemeint!«
»Du brauchst keine Angst zu haben, sie wird ihn schon wiedersehen«, sagte Millie grimmig.
Die Atmosphäre war geladen. Er wurde noch nervöser.
»Wo hast du das Geld?« fragte er.
Sie öffnete die Mappe und nahm drei dicke Bündel amerikanischer Banknoten heraus.
»Hundertundzweitausend Dollar - ich wäre beinahe zu spät gekommen, um Friedmans Scheck einzulösen, gerade noch einige Minuten vor Schluß.«
»Hast du das andere Geld nach Rom geschickt?«
»Ja. - Es ist zu dumm, daß du das Geschäft nicht verkaufen konntest.«
»Es ist wirklich schade«, stimmte er zu.
Ihre Unterhaltung drehte sich um allgemeine Dinge - aber die Explosion mußte kommen.
»Wo wird mich dein Wagen abholen?« Sie sah ihn nicht an, sondern spielte mit dem Brieföffner, der auf dem Schreibtisch lag.
»Wie? Ach, du meinst meinen Wagen? Ja, der wird dich an der Ecke der Lower Regent Street erwarten. Du hast Anschluß mit dem Dampfer nach Le Havre.«
»Du meinst, ich soll allein nach Le Havre fahren? Kommst du denn nicht mit?«
»Ich treffe dich in Southampton. Du wirst sicher Geld brauchen.«
Er zog einige Banknoten aus einem Bündel und gab sie ihr. Sie steckte sie in ihre Handtasche.
»Du willst also später nach Southampton kommen?« Plötzlich ließ sie die Maske fallen. »Die ›Empress‹ verläßt London morgen früh mit der Flut!«
Er starrte sie entsetzt an.
»Ich weiß nicht, was du meinst!«
»Hör doch zu: ›Die ›Empress‹ geht mit der Morgenflut‹ - so ähnlich jedenfalls, meinetwegen poetischer, du verräterischer Hund!« Ihre Augen schossen wütende Blitze. »Hör gut zu, du Zinker! Ich habe deinetwegen viel aushalten müssen, ich saß für dich im Gefängnis, ich sah zu, wie du fünf verschiedene Mädchen heiratetest - aber die hast du jedesmal gleich an der Kirchentür wieder verlassen!«
Er biß sich auf die Lippen, entgegnete aber nichts.
»Ich habe dich bei all deinen Schiebungen unterstützt, bei den unzähligen Hehlereien und beim Verzinken! Jede Anzeige an die Polizei habe ich auf der Maschine schreiben müssen. Ich brachte deine Diamanten nach Antwerpen und Paris, und oft genug riskierte ich lange Zuchthausstrafen für dich!«
»Ich weiß gar nicht, was du von mir willst - was ist nur mit dir los, Millie?«
Beide waren so erregt, daß sie nicht bemerkt hatten, wie sich die Terrassentür einen Spalt breit öffnete. Draußen stand John Leslie und lauschte mit vorgestrecktem Kopf.
»Ich will dir sagen, was ich denke!« brauste Millie auf. »Du schickst mich nach Southampton - glaubst du, daß ich in die Falle gehe? Wo gehst du hin? Du fährst mit Beryl nicht nach Schottland - du bringst sie nach Kanada! Du hast Schiffsbilletts auf den Namen Jackson besorgt! Der Zug, der Anschluß an den Dampfer hat, verläßt Eu-ston Station ungefähr zur gleichen Zeit wie der Zug nach Schottland. - Ich habe dir bei deinen andern Heiratsschwindeleien geholfen, weil ich wußte, daß du die betrogene Braut sitzenließest, sobald du den Scheck des Vaters in der Tasche hattest. Aber diesmal helfe ich dir nicht!« »Willst du ruhig sein!« fuhr er sie zornig an. »Du verrücktes Ding - wenn du nicht schweigst, hört man uns!«
»Die werden es bald genug erfahren! Du wirst mit Beryl weder nach Kanada noch nach Schottland fahren - merk dir das, Zinker! Ich bin deine Frau, deine einzige, rechtmäßig angetraute Frau, und du gehst jetzt mit mir nach Southampton - oder ich suche Tillman
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