061 - Der Zinker
lag ruhig da, nur manchmal kamen gedämpfte Grammophonklänge aus der Bar, in der sich erst drei Paare unterhielten.
»Hören Sie, Bill - ich bin in einer furchtbaren Verlegenheit!«
Bill Anerley nickte wohlwollend. Die meisten seiner Kunden waren dann und wann in furchtbarer Verlegenheit, und nicht selten muteten sie ihm zu, ihnen aus verfahrenen Situationen zu helfen. Trotzdem war er erstaunt, daß ein Mann wie Frank Sutton, der so reich war und so großen Einfluß besaß, sich in Zahlungsschwierigkeiten befinden sollte. Es war ihm allerdings schon zu Ohren gekommen, daß Sutton keine anständigen Geschäfte machte, und er hatte auch zur Kenntnis genommen, daß dieser angesehene Geschäftsmann im Sitzungssaal Konferenzen mit Leuten abhielt, von denen er, Anerley, bestimmt wußte, daß sie Juwelendiebe waren. Ob Sutton mit der Polizei Schwierigkeiten hatte?
»Schön, ich will Ihnen die Sache erklären«, sagte Sutton. »Ich habe eine kleine Auseinandersetzung mit unserer Freundin. Sie sind doch ein Mann von Welt, Anerley - Sie werden verstehen, was ich meine.«
Eine kleine Auseinandersetzung? Das konnte vieles bedeuten - eine Meinungsverschiedenheit oder eine ausgewachsene Affäre.
Da Anerley schwieg, fuhr Sutton fort:
»Hören Sie, Bill - ich habe mich heute verheiratet.«
»Oh!« entfuhr es Bill.
»Miss Trent, eine treue, langjährige Mitarbeiterin, hat die Sache sehr übel aufgenommen. Ich hatte ihr nichts gesagt, bis alles vorüber war. Nun will ich mit dem Nachtzug nach Schottland fahren, und sie hat mir gedroht, auf den Bahnhof zu kommen und dort eine Szene zu machen.«
»Na, so schlimm wird es nicht werden, sie wird schon vernünftig sein! Ich bin sicher, daß ein Gentleman wie Sie eine solche Sache leicht aus der Welt schaffen kann - ein paar hundert Pfund .«
»Es geht nicht um Geld«, unterbrach Frank ungeduldig. »Sie verstehen nicht, was ich meine. Miss Trent will durchaus, daß ich ... Begreifen Sie denn nicht, worum es sich handelt?«
»Ich begreife vollkommen.«
Bill war gespannt, was jetzt kommen würde. Vielleicht sollte er die aufgebrachte Dame beruhigen?
»Sie ist in einer Viertelstunde hier.« Sutton sah Bill gerade in die Augen. »Ich werde eine kleine Auseinandersetzung mit ihr haben. Wenn ich gehe - wird sie wahrscheinlich schlafen, und ich möchte nicht, daß sie vor morgen früh, sagen wir, vier Uhr, geweckt wird.«
Jetzt wußte Bill Anerley, um was es sich handelte, und schüttelte den Kopf.
»Das ist zu gefährlich, das Risiko kann ich nicht auf mich nehmen, Mr. Sutton. Bedenken Sie nur, wenn sie eine Anzeige bei der Polizei macht, wie stehe ich dann da?«
Sutton zuckte mit keiner Wimper.
»Was heißt das? Überlegen Sie mal - selbst wenn eine Anzeige erfolgt, ich sehe nicht ein, warum Sie in irgendeiner Weise verantwortlich sein sollten. Es wäre bestimmt nicht das erstemal, daß jemand in diesem Club frühmorgens mit Kopfschmerzen aufwacht!«
»Aber es wäre das erstemal, daß hier eine Dame des Morgens mit Kopfschmerzen aufwacht«, entgegnete Bill unbeirrt. »Es tut mir leid, ich kann Ihren Wunsch nicht erfüllen.«
»Wie, das können Sie nicht? Was aber ist, wenn ich einfach gehe, und Sie stellen hinterher fest, daß die Dame in dem Zimmer schläft? Wollen Sie dann die Polizei rufen?
Das glaube ich nicht, Bill! Ich hätte Sie ja gar nicht einzuweihen brauchen. Wenn ich Ihnen beim Weggehen gesagt hätte, daß ich in ein bis zwei Stunden zurückkäme - dann hätten Sie doch auch geschwiegen?«
»Ich kann nicht zulassen, daß jemand in meinem Club betäubt wird«, beharrte Bill. »Wenn Sie Ihnen einen Krach machen will - gut, ich kann mich in Ihre Lage versetzen, aber ...«
Sutton holte ein Bündel Banknoten aus der Tasche, nahm drei davon und legte sie auf das Pult.
Bill betrachtete das Geld nachdenklich.
»Wenn sie dabei nicht zu Schaden kommt ...« Er nahm die Banknoten mechanisch auf, faltete sie und schob sie in die Seitentasche seiner Uniform. »Wann werden Sie zurücksein?« fragte er, als Sutton nach dem Lift klingelte.
»Kurz vor oder kurz nach ihr. Wenn sie vor mir da ist, führen Sie sie bitte in den Sitzungssaal. Sagen Sie ihr, daß ich gleich komme.«
27
Nachdem Sutton mit dem Lift nach unten entschwunden war, setzte sich Anerley hinter sein Pult und fuhr mit der Hand durch sein ergrautes Haar. Jim, als er wieder nach oben kam, fand ihn, wie er, den Kopf in die Hände gestützt, unbeweglich ins Empfangsbuch starrte.
»Was ist los, Vater?«
»Was
Weitere Kostenlose Bücher