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061 - Der Zinker

061 - Der Zinker

Titel: 061 - Der Zinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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hin, denen sie einen Blick in Londons Verbrecherwelt verhießen, sonnten sich im Abglanz, der auf sie selbst fiel, und wähnten, eine ›gefährliche‹ Nacht zu verbringen.
    Der Leopard-Club lag, wie so mancher andere seiner Art, in den oberen Stockwerken eines Gebäudes in der Shaftesbury Avenue. In den Verzeichnissen war er als Gesellschafts-Club und als Restaurant eingetragen. Außer dem etwas engen Speisezimmer und einer noch eingeengteren Tanzbar gab es eine Reihe von Privatzimmern, die belegt werden konnten.
    Mr. William Anerley, der zugleich Besitzer und Portier war, nannte das größte dieser Zimmer den ›Sitzungssaal‹. Er gab Inserate in den Zeitungen auf und hatte auch im Club ein Plakat angeschlagen, worin der Raum Geschäftsdirektoren und Aktiengesellschaften zur Abhaltung von Versammlungen empfohlen wurde. Aber es ist nicht bekannt, ob eine derartige Versammlung je dort stattgefunden hat.
    Alles Gesetzwidrige war im Leopard-Club strengstens verboten. Nach der Polizeistunde wurde nicht mehr ausgeschenkt, und die Mitglieder durften auch nicht spielen, das heißt, der Besitzer durfte nichts davon wissen. Daß Mitglieder sich Zimmer mieteten, um dort insgeheim ein Spielchen aufzulegen, stand außer Frage. Doch Bill Anerley wies mit gewissem Stolz Akten vor, wonach das Komitee verschiedene Herren ausgeschlossen hatte, die die Regeln des Clubs mißachteten.
    Dieses Komitee war korrekt zusammengesetzt, aber da die Sitzungen gewöhnlich um ein Uhr morgens stattfanden, wenn die meisten Mitglieder zu Hause in ihren Betten lagen, ein Paragraph der Satzungen jedoch bestimmte, daß eine rechtsgültige Sitzung abgehalten werden konnte, wenn zwei Mitglieder zugegen waren, wurden die Beschlüsse des Leopard-Clubs ausschließlich von Mr. Anerley und seinem jungen, noch etwas linkischen Sohn Jim gefaßt. Abgesehen von seiner aufreibenden Tätigkeit als Komiteemitglied bediente Jim auch noch den Lift, der die Mitglieder und ihre Freunde zu den Clubräumen hinaufbrachte.
    Bill Anerley gab sich in bezug auf den Charakter des Lokals oder die soziale Stellung der Mitglieder keinen Illusionen hin. Als er einen Herrn, der einen reichen, unerfahrenen jungen Mann beim Spiel übers Ohr hauen wollte, ostentativ von der Mitgliederliste strich, fragte der Betreffende gekränkt und herausfordernd:
    »Nennen Sie dies einen Club für Gentlemen?«
    Der große Bill schaute ihn verächtlich an.
    »Wenn es ein Club für Gentlemen wäre, Harry, hätte Ihr Name überhaupt nie auf der Liste gestanden!«
    Jim fragte einmal in der toten Saison seinen Vater, wohin denn eigentlich die Mitglieder in den Sommermonaten verschwänden. Bill erhob den Blick nicht vom Rechnungsbuch, in das er gerade Eintragungen machte.
    »Manche von ihnen gehen an den Lido, mein Junge, manche auch nach Ostende, und einige gehen nach Dartmoor - das hängt ganz davon ab.«
    Mr. Anerley hatte harte Gesichtszüge und ein eckiges Kinn. Dagegen wies sein Charakter einen weichen Zug auf, der in einer schwärmerischen, fast zärtlichen Zuneigung zu zwei bestimmten Menschen bestand. Der eine war ihm ganz aus dem Gesichtskreis entschwunden, und er hatte nie mehr etwas von ihm gehört. Manchmal, wenn es im Club nicht viel zu tun gab, kam er auf die kleine Geschichte zurück, die er seinem Sohn schon zum x-tenmal erzählt hatte.
    »Er hat mich immer Waldemar genannt, ich traf ihn damals in Frankreich im Granattrichter auf Höhe 60, wir verbrachten dort drei Tage zusammen. Er war Offizier, ich Gemeiner - Waldemar hat er mich genannt ... ›Hallo, Waldemar‹, sagte er, wenn eine Granate über uns platzte, ›die hätte uns beinahe erwischt!‹. Er hat mir das Bein verbunden und seine Ration Wasser zu trinken gegeben. Ich verdanke ihm mein Leben. Ich gäbe tausend Pfund darum, ihn einmal wiederzusehen. Wäre ich damals nur rechtzeitig von dem Autobus heruntergekommen - erinnerst du dich?«
    Im vergangenen Juli war er einmal mit Jim im oberen, offenen Stock eines Autobusses gefahren, als er plötzlich auf der Straße seinen verehrten Freund entdeckte. Er winkte ihm mit beiden Armen, konnte sich aber nicht bemerkbar machen. So rasch es ging verließ er den Wagen, doch alles Suchen und Fragen war vergeblich, der so lang Vermißte blieb weiterhin verschwunden.
    Vom anderen, dem zweiten Bekannten, den er schätzte, sprach er überhaupt nie. Aber er hätte alles für diesen Mann getan, der ihm in schwieriger Zeit das Geld gegeben hatte, damit er den Club kaufen konnte. Es war Mr. Lew

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