061 - Medusas steinerne Mörder
hinter ihnen…
●
Auch
Edith fuhr zusammen. Deutlich hatte auch sie vernommen, daß das dumpfe Klopfen
aus der Tiefe gekommen war. Wieso wiederholte es sich nun an der Tür? Die
Studentin lief zu dem kleinen Schreibtisch und nahm die Papiere, die dort
ungeordnet lagen, während Graf von Bernicz mit schnellen Schritten die
Turmkammer durchquerte. »Ja?« fragte er noch durch die geschlossene Tür, in dem
er die Hand auf den schweren, eisernen Riegel legte. »Wer ist da?«
»Josef…«,
erklang die Stimme von draußen. Da öffnete von Bernicz und ließ den Arzt ein.
»Erkundigst du dich immer innerhalb des Hauses, wer vor der Tür steht? Eine
höchst sonderbare Marotte…«
Josef
Hebonay war ein Mensch, der die Dinge stets beim Namen nannte. Er war einen
halben Kopf kleiner als von Bernicz und auch schmaler. Er machte einen
sportlichen Eindruck und bewegte sich leichtfüßig. Das stets streng
gescheitelte, schwarze Haar ließ ihn allerdings etwas altmodisch wirken.
Hebonay streifte mit raschem Blick die scheinbar in ihre Arbeit vertiefte
Edith, die sich eifrig Notizen aus einem aufgeschlagenen Buch machte. »Geht
ziemlich geschäftig hier zu«, bemerkte Hebonay. »Ich hoffe, ich störe euch
nicht gerade bei einer wichtigen Arbeit.«
»Keine
Arbeit ist so wichtig, daß man sie nicht unterbrechen kann. Wie du weißt,
arbeite ich allerdings gern in den späten Abend- und Nachtstunden. Ich habe
noch einiges zu tun. Du wirst einen Grund haben, daß du den weiten Weg durchs
Schloß in diesen abseits gelegenen Turm gekommen bist.«
»Ich
muß mit dir reden«, und während Hebonay das sagte, warf er einen Blick aus den
Augenwinkeln auf die schreibende junge Frau. »Unter vier Augen… Es ist sehr
wichtig…«
»Geht’s
um Luise?«
»Ja.«
Paul
von Bernicz forderte Edith auf, ihre Schreibarbeit fortzusetzen. Er würde mit
seinem Schwager das sicher nur kurze Gespräch vor der Tür führen. Dorthin
begaben sie sich dann auch. Von Bernicz zog die Tür ins Schloß. »Ich hätte
schwören können, daß das erste Klopfen vom Haupttor gekommen ist.«
»Gab
es denn auch ein zweites?« fragte Hebonay überrascht. »Ja, deines…«
»Irrtum,
Paul! Ich habe nur einmal geklopft…« Ehe Paul von Bernicz näher auf diesen für
ihn merkwürdigen Umstand eingehen konnte, fuhr Josef Hebonay schon fort. »Ich
mache mir Sorgen um Luise«, raunte er ihm zu. »Ich habe sie untersucht. Sie
befindet sich in erbarmungswürdigem Zustand.«
»Das
ist wohl leicht übertrieben«, widersprach von Bernicz. »Wenn es ihr so ginge,
wie du es beschreibst, wäre mir das schon aufgefallen.«
»Offenbar
doch nicht«, meinte Hebonay tadelnd. »Sie reißt sich zusammen, das ist alles.
Sie überspielt ihre Schwäche.«
»Was
ist mit ihr? Hast du eine Erkrankung bei ihr festgestellt?« Hebonay antwortete
nicht gleich, nahm eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie betont
langsam an. »Ich kenne den Grund ihrer Erkrankung noch nicht. Ich weiß nur
eines: wenn du sie retten willst, mußt du sie so schnell wie möglich von hier
wegbringen… Luise verliert Lebenskraft, es ist, als würde sie jemand aussaugen.
Wie – ein Vampir… «
»Lächerlich!«
»Du
wirst es gleich weniger lächerlich finden, wenn ich dir Fakten nenne. Ich habe
eine Blutuntersuchung bei Luise durchgeführt. Die Werte sind bedenklich. Luise
leidet unter hochgradiger Blutarmut.«
»Und
worauf führst du das zurück?«
»Es
gibt zwei Möglichkeiten in ihrem individuellen Fall. Erstens: hochgradige
Hysterie verbunden mit einer Selbstzerstörung ihres Körpers. Zweitens: das Blut
wird ihr mehr oder weniger regelmäßig entnommen.«
»Das
zweite ist wohl das Unwahrscheinlichere.«
»Ich
denke, es ist das Wahrscheinlichere«, sagte Hebonay zu von Bernicz Überraschung.
»Glaubst du an Vampire?« kam die nicht minder verblüffende Frage wie aus der
Pistole geschossen.
»Willst
du damit sagen, daß…«
»Ich
habe eine klare Frage gestellt und erwarte darauf eine klare Antwort.«
»Nun,
wenn du so fragst, will ich dir ohne Umschweife antworten. Ich habe viel
Material gerade über solche Dinge gesammelt und mit wissenschaftlicher Methodik
untersucht. Ich kann die Existenz von Vampiren nicht ausschließen.«
»Dann
mußt du davon ausgehen, Paul, daß Luise Opfer eines Vampirs ist. Ich habe an
ihrem Hals deutliche Bißspuren festgestellt, die sie geschickt durch Make-up
überdeckt hatte. Das bedeutet, daß außer Luise, der Studentin und dir, noch
jemand in diesem
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