0612 - Nachts jagt die schwarze Katze
den geschlossenen Fensterläden nicht zu sehen«, beruhigte Adrienne ihn.
Sie liebte Richard, nur war der ihrem Vater ein Dorn im Auge. Aus gleich drei Gründen: Er war arm wie eine Kirchenmaus, er gehörte nicht zum Adel, und er war ein grundehrlicher Mensch.
Diese drei Eigenschaften paßten überhaupt nicht ins Weltbild von Adriennes Vater. Und wenn er auch nur geahnt hätte, daß Richard Renard gerade jetzt auf seinem Grundstück, in seinem Pavillon, mit seiner Tochter intim geworden war - und das nicht zum ersten Mal -, hätte er sicher einem seiner Leibwächter befohlen, den Schalldämpfer vor den Lauf der MPi zu schrauben und das Problem ein für allemal zu lösen.
Oder, weniger spektakulär, alsbald einen tödlichen Verkehrsunfall zu arrangieren…
Schließlich war Adrienne schon seit zwei Jahren mit einem sizilianischen Adligen verlobt, und in einem Vierteljahr stand die Hochzeit an. Wenn Jaques deRoguette Richard Renard nicht würde töten lassen, würde das garantiert Rico diMarcesa selbst erledigen, nur würde Richard dann erheblich langsamer und schmerzvoller sterben.
Adrienne dagegen dachte gar nicht daran, sich mit dem Jungmafioso zwangsverehelichen zu lassen. Sie hatte beschlossen, die Hochzeit erst gar nicht stattfinden zu lassen - wer heiratet schon einen Toten?
Die Roguettes und Marcesas würden nicht im Traum daran denken, daß ausgerechnet Ricos Verlobte sich auf diese Weise radikal und endgültig entlobt hatte.
Natürlich würde sie Richard auch danach nicht heiraten können. Aber bis sich die Familien von dem Schock erholten und ihr einen neuen standesgemäßen Bräutigam aussuchten, hatte sie ein wenig Freiraum. Und vielleicht war der nächste Heiratskandidat ja akzeptabel.
Den Marcesa-Sproß jedenfalls verabscheute sie…
»Wie kommt denn die Katze hier herein?« fragte Richard plötzlich, während er in seine Hose schlüpfte. »Hast du nicht was von geschlossenen Fensterläden gesagt? Und die Tür habe ich zugemacht.«
»Welche Katze?« wunderte sich Adrienne.
»Na, die da!« Richard begann sein Hemd zuzuknöpfen, sehr zu Adriennes Bedauern.
Sie schaute in die angegebene Richtung.
Da sah sie das Tier, eine schwarze Katze, ein großes, ausgewachsenes Prachtexemplar. Sie saß mitten auf dem kleinen runden Tisch und putzte sich ausgiebig.
»Ist ja drollig«, sagte Adrienne. »Die habe ich hier noch nie gesehen. - Und die hat hier auch gar nichts zu suchen!«
Sie erhob sich, ging auf das Tier zu, das mit dem Putzen aufhörte und sich leicht duckte. Aber die Katze schien an Menschen gewöhnt zu sein, denn sie sprang nicht vom Tisch, um wegzulaufen.
Adrienne faßte sie im Nackenfell, hob sie hoch und trug sie zur Tür. Die Tischdecke blieb zunächst in den instinktiv ausfahrenden Krallen hängen, fiel aber dann zu Boden.
»He«, sagte Richard. »Willst du etwa - du bist verrückt!«
Aber da hatte Adrienne die Tür des Pavillons bereits geöffnet, war nackt ins Freie getreten und setzte die Katze im Gras neben dem Weg ab, um sofort in den Pavillon zurückzuspringen und die Tür wieder zu schließen, damit das Tier nicht gleich wieder zwischen ihren Beinen hindurch hereinflitzte.
»Wenn dich jemand hier so sieht…«
»Kein Mensch ist draußen. Die warten doch alle drinnen noch auf den Zauberer«, versicherte Adrienne und umarmte Richard.
»Bleib doch noch ein paar Minuten. Ich kriege einfach nicht genug von dir…«
Seine Hände streichelten ihren wohlgeformten Körper, seine Lippen küßten sie.
»Ich muß weg, und dich suchen sie bestimmt schon«, flüsterte er.
Sie lachte leise. Und mit einem Ruck zog sie ihn auf die Decken zurück, die am Boden ausgebreitet waren, und streckte und räkelte sich wollüstig über ihn.
Da wurde er doch noch einmal schwach.
Die Katze saß nur ein paar Schritte von ihnen entfernt auf einem Stuhl und betrachtete sie aus halbgeschlossenen, grünfunkelnden Augen.
Ihr leises Schnurren blieb unbeachtet…
***
Professor Zamorra hatte dem Gastgeber seine Aufwartung gemacht, entdeckte dann bekannte Gesichter und steuerte eines der Pärchen an, um es mit Handschlag zu begrüßen. »Der Mann mit der größten Aufklärungsquote seit Oswalt Kolle, und seine schöne Begleiterin… Du bist also doch hergekommen, Pierre? So, wie du am Telefon protestiert hast, hatte ich wirklich nicht mehr damit gerechnet…«
»Ich bin nur Dekoration«, brummte Pierre Robin mißmutig, der sich in seinem dunklen Anzug überhaupt nicht wohlfühlte, denn der war ihm
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