0613 - Stygias Höllen-Sklaven
Empfindungen deuten zu können. Und er war eindeutig mißtrauisch und angespannt.
»Wer?« stieß sie leise hervor. »Und wo?«
Jetzt erst registrierte sie, daß das Amulett keinen Alarm gab.
Keine Vibration, keine Erwärmung.
Also keine Gefahr durch Schwarze Magie. Kein Dämon oder sonst eine Finsterkreatur in ihrer Nähe.
Sofort schaltete Nicole die Strahlwaffe auf Betäubung um.
Wenn sie es nicht mit einem Dämon zu tun hatte, wollte sie auf keinen Fall tödliche Schüsse abgeben.
Und noch etwas fiel ihr ein. Gryfs Haus war ebenso wie Château Montagne mit weißer Magie abgeschirmt. Kein Dämon, und auch kein dämonisierter Mensch konnte diese M-Abwehr durchdringen.
Vielleicht aber versuchte jemand, der davon wußte, die Schutzzeichen zu beschädigen, welche die M-Abwehr aufrechthielten.
Das geschah zuweilen. Manchmal schickten Magier oder Dämonen Menschen vor, um diese Zeichen zu löschen. Vor etwa einem Jahr wäre Ted Ewigk um ein Haar Opfer eines solchen Anschlags geworden, da war die Abschirmung seines Domizils in Rom sogar derart verändert worden, daß sie bei jedem Menschen innerhalb dieser unsichtbaren Schutzkuppel unstillbare Aggressionen hervorrief, die auf Dauer unweigerlich zu Mord und Totschlag geführt hätten.
Vielleicht war es hier ähnlich. Vielleicht hatte sich jemand an den Symbolen zu schaffen gemacht. Jemand, den Fooly eben entdeckt hatte…
Aber dann sah Nicole, daß dieser Jemand, wenn er wirklich der Schuldige war, nie mehr zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
Er lag ein paar Meter hinter dem Grabstein auf dem Boden.
Und war tot.
***
»Da ist etwas, das Sie interessieren könnte«, sagte Raffael Bois.
Zamorra zuckte zusammen.
Der alte Diener, der gewissermaßen zum ›Inventar‹ des Châteaus gehörte und auch im hohen Alter von beinahe 90 Jahren nicht im Traum daran dachte, sich pensionieren zu lassen, verstand sich auf die Kunst lautloser Annäherung. Er war immer und überall präsent, wo er gebraucht wurde, und schien praktisch keinen Schlaf zu benötigen.
Außerdem war er neben Nicole der einzige, der sich wirklich mit Zamorras EDV-Anlage auskannte. Er betreute die drei parallelgeschalteten MMX-Rechner mit ihren gigantischen Speichern, er verwaltete das Archiv mit den unzähligen Dateien, und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durchforschte er das Internet nach Daten und Fakten, die für den Professor und seine Arbeit relevant sein konnten.
Zamorra wartete eigentlich auf Nicoles und Foolys Rückkehr.
Oder auf einen Anruf von Gryf. Deshalb auch empfand er Raffaels Auftauchen beinahe als störend.
Aber er hütete sich, dem alten Mann dort auch nur eine Spur von Unwillen oder Unhöflichkeit entgegenzubringen. Das hatte Raffael Bois nicht verdient.
Der alte Diener, oft auch ›der gute Geist des Hauses‹ genannt, reichte Zamorra einen Bogen Papier. Darauf hatte er eine aus dem Internet gezogene Meldung ausgedruckt.
Zamorra begann stirnrunzelnd zu lesen.
In einem kleinen Ort in Louisiana waren am heutigen Morgen zwei Menschen aufgegriffen worden, die einen recht verwirrten Eindruck machten und eine merkwürdige Geschichte erzählt hatten. Und auf einem wiederentdeckten Friedhof sah es recht befremdlich aus…
Ein Reporter hatte die Story nicht nur seiner Zeitung verkauft, sondern sie offenbar auch gleich ins Internet gesetzt - aus welchem Grund auch immer.
Zamorra überlegte.
Louisiana - das war doch das Land, in dem Ombre lebte, der ›Schatten‹ Yves Cascal. Sollte er irgend etwas mit dieser Angelegenheit zu tun haben?
Die Meldung konnte noch nicht sehr alt sein. Ein, zwei Stunden vielleicht.
Zamorra schätzte, daß die beiden Menschen allenfalls vor etwa vier bis sechs Stunden aufgegriffen worden sein konnten.
Was sie erlebt haben wollten, mußte sich somit in der vergangenen Nacht abgespielt haben.
Also war alles noch keinen ganzen Tag her.
Es bestand daher noch die Möglichkeit, mit Hilfe des Amuletts mehr darüber herauszufinden. Die Zeitschau reichte, bei erheblichem psychischen und physischen Kraftaufwand, bis ungefähr 24 Stunden in die Vergangenheit. Wenn Zamorra sofort mittels der Regenbogenblumen nach Baton Rouge wechselte, konnte er vielleicht noch etwas herausfinden.
Er murmelte eine Verwünschung. Natürlich war ausgerechnet jetzt Nicole mit dem Amulett unterwegs, um bei Gryf nach dem Rechten zu sehen, und mit etwas Pech würde sie die magische Silberscheibe dort wirklich benötigen. Es wäre also gefährlich, Merlins Stern
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