0616 - Duell der Vampire
zuständig…
»Jetzt paß mal auf«, sagte Tendyke, schaltete das Gerät ein und wartete das Hochfahren des Systems und der Programme ab. Es ging recht schnell. Zamorra runzelte die Stirn.
Tendyke rief eine Datei auf.
»Schau dir das an«, sagte er.
»Woher hast du die Daten?«
»Will Shackleton hat sie mir beschafft. Ich habe ihn danach gefragt, als ihr angerufen und euren Besuch angekündigt habt. Shack hat seine Verbindungen spielen lassen, und - voilà!«
Shackleton war der Sicherheitsmanager der Tendyke Industries. Seine offizielle Aufgabe bestand darin, den Konzern vor ›feindlicher‹ Industriespionage zu schützen, sowie für Objekt- und Personenschutz innerhalb der Firmen zu sorgen. Daß all das auch eigene Industriespionage bei der Konkurrenz bedeutete, war Zamorra klar Aber daß sich jemand vom T. I. - Werkschutz in Polizeicomputer hackte, war eigentlich nicht normal.
»Nimm's leicht«, sagte Tendyke. »Nimm's, wie's kommt. Dein Vampiropfer war ein kleiner Drogendealer. Stefano Noguera. Hier, die Adresse. Die DEA hatte ihn im Visier, aber nicht zugegriffen, weil man hoffte, an seine Hintermänner zu kommen.«
»Die Drogenpolizei?« Zamorra hob die Brauen. »Dann dürften die aber nicht gerade froh sein, daß er tot ist.«
»Warte mal«, brummte Tendyke. »Vorhin habe ich mir die Datei noch nicht ganz angeschaut. Noguera hat eine Schwester. Hier, ihre Adresse. Man hält sie für eine Mitwisserin. Sie soll beobachtet werden.«
»Na, danke«, winkte Zamorra ab. »Da möchte ich mich nur ungern einklinken. Wenn die Polizei ihre Hände im Spiel hat, noch dazu die DEA… das muß ich mir nicht antun, oder?«
»Warum?«
»Odinsson-Akten«, sagte Zamorra. »Torre Gerret alias Torre Odinsson ist nun zwar schon über zwei Jahre tot, aber es könnte sein, daß es noch hier und da Akten gibt, und wenn ein übereifriger Ermittler oder beförderungssüchtiger Staatsanwalt darüber stolpert…«
»Hattest du in einem der Fälle mal mit Drogen zu tun?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Dann reg' dich nicht künstlich auf. Vergiß die Odinsson-Akten.«
Aber das war nicht so einfach. Der Mann, der Zamorra vor vielen Jahren an der Quelle den Lebens im Wettlauf um die Unsterblichkeit unterlegen war, [3] und der ihm später fälschlich die Schuld am Tod seines Sohnes zuschrieb, hatte sich als Interpol-Agent ausgegeben und Akten über Fälle gesammelt, in die Zamorra verwickelt gewesen war. Ungelöste Fälle - was sollte man schließlich bei der Polizei zu einem Vampir sagen, der gepfählt wurde, zu einem Werwolf, den eine Silberkugel traf, oder anderen dämonischen und schwarzmagischen Gestalten? Es gab Dinge, die einfach unerklärbar blieben. Und diese hatte Torre Odinsson zusammengestellt und damit längere Zeit Zamorra überall auf der Welt Knüppel zwischen die Beine geworfen. Es hatte Festnahmen und Verhöre gegeben. Zamorra war zwar jedes Mal wieder heil aus der Sache herausgekommen, aber ärgerlich und hinderlich war es schon - vor allem, wenn in der Zwischenzeit der gejagte Schwarzblütige davonkam…
Mittlerweile hatte Odinsson-Gerret sein Ende in der ›Hölle der Unsterblichen‹ gefunden. Doch damit waren die Akten noch nicht vernichtet. Irgendwo mochte auch heute noch jemand darüber brüten und auf eine Möglichkeit lauern, ungeklärte Fälle abzuschließen. [4]
Sicher, mit jedem Jahr sank das Risiko. Aber ganz auszuschließen war es nie.
»Was hat der Vampir mit einem Drogendealer zu tun?« überlegte er. »Oder handelt es sich gar nicht um einen Vampir? Vielleicht hat der Mörder nur so agiert, daß leichtgläubige Gemüter ihn für einen Blutsauger halten müssen?«
»Nach dem Motto: Wo Vampir dran steht, hat auch Vampir drin zu sein?« spöttelte Tendyke.
Zamorra nickte. »Wäre doch möglich, oder? Auf die Weise könnte er von sich selbst ablenken. Kuba und Südamerika sind nah. Es gibt hier sehr viele Latinos, und viele von ihnen glauben an Voodoo und an Magie. Warum also nicht auch an einen Vampir?«
»Meinst du, die Polizei glaubt daran?«
»Offiziell nicht. Aber wenn jemand dem Aberglauben anhängt… warum nicht? Vielleicht suchte man nur nach einem Grund, alles wegzuschieben. Noguera war ein Schwarzer. Aller Gleichberechtigung zum Trotz sind Schwarze hier immer noch ›Nigger‹. Das dürftest du sogar noch besser wissen als ich. Wenn ein Nigger umgebracht wird, kümmert man sich nicht ganz so gern darum, als wenn es um einen möglichst auch noch reichen und bekannten Weißen
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