0618 - Der Mondschein-Mörder
den Messerstich hineinlaufen, aber ich rechnete mit dem dicken Stamm der alten Laterne.
Die Klinge klirrte dagegen. Ich hörte noch das Geräusch, wie sie »abrutschte« und nach unten glitt. Für einen Moment konnte ich sie besser erkennen. Sie bestand tatsächlich aus Glas oder einem Material, das diesem sehr ähnlich war.
Mein Kreuz zu erreichen, hätte Mühe gekostet, deshalb zerrte ich die Beretta hervor, sprang zurück und feuerte in den Schatten nahe der Laterne hinein.
Der Schuß durchbrach die Stille, das Mündungsfeuer zuckte wie ein fahles Licht auf, ich hatte den Schatten erwischt, doch das geweihte Silbergeschoß durchsägte ihn und saute dann im schrägen Winkel in den Boden eines Vorgartens.
So also kam ich nicht an den Schatten. Ich mußte eine Möglichkeit finden, ihn existent zu machen, das konnte mir eventuell unter Zuhilfenahme des Kreuzes gelingen, aber der Schatten zog sich zurück.
Er wischte einfach vom Stamm der Laterne weg auf den Gitterzaun eines Vorgartens zu, als wollte er von ihm aufgespießt werden.
Ich sah das Grau noch zwischen den Büschen, dann war es verschwunden.
Scharf stieß ich die Luft aus. Meine erste Begegnung mit dem Mondschein-Mörder war nicht eben glanzvoll ausgefallen. Allerdings wußte ich jetzt Bescheid, um welch einen Gegner es sich handelte und konnte mich darauf einstellen.
Bis zum Haus der Madame Imelda war es nicht mehr weit. Ich hätte die Strecke zu Fuß gehen wollen, nahm trotzdem den Rover, weil es durchaus sein konnte, daß ich ihn benötigte und ich ihn deshalb in der Nähe haben wollte.
Imelda Miller wohnte in einem der älteren, aber schon kostbar gewordenen Häuser. Auf dem flachen Dach wuchs ein dreieckiges »Zelt« in die Höhe, ein sehr ungewöhnliches Penthouse von der Form her. Neben der Tür entdeckte ich das moderne Klingelbrett, fand den Namen Miller erleuchtet und den Perlmuttknopf ebenfalls.
Nach dem Schellen hörte ich sehr schnell ihre Stimme. Sie klang mir aus den Rillen eines Lautsprechers entgegen.
»Ich bin es, John Sinclair.«
»Endlich!« stöhnte sie. »Bitte, kommen Sie.«
»Okay.«
Ein Summer ertönte, ich drückte die Tür auf und wunderte mich über die helle Verkleidung der Wände. Dazu paßte der kleine Lift aus Glas, der mich in die obere Etage brachte, wo Imelda Miller bereits vor der Tür ihrer Penthouse-Wohnung auf mich wartete und erleichtert lächelte, als ich ihr die Hand reichte.
»So froh?« fragte ich.
»Und ob. Kommen Sie rein.«
Die Frau hatte Geschmack oder einen guten Innenarchitekten. Ich empfand die Einrichtung als maßgeschneidert, dazu trugen auch die Sitzmöbel mit den niedrigen Lehnen bei, so daß ich durch die Scheiben und über die Dächer hinweg den Mond beobachten konnte.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mr. Sinclair?«
Ich deutete auf ihr Glas, in dem der Wein rot schimmerte. »Davon hätte ich gern ein Glas.«
»Sofort.«
Sie holte die Flasche aus einem Ständer und brachte ein frisches Glas. Auf der achteckigen Tischplatte standen zwei fast bis zu den Rändern mit Kippen gefüllte Aschenbecher. Ein Zeichen dafür, wie nervös die Astrologin letztendlich war.
Als sie mein Glas absetzte, sah ich, daß ihre Hände zitterten, sie bemerkte allerdings meinen etwas unruhigen Blick, der durch den großzügigen Raum streifte, wo das Licht so verteilt war, daß alles gut zu erkennen war, man aber nicht geblendet wurde.
»Haben Sie etwas, Mr. Sinclair?«
»Erzähle ich Ihnen gleich.« Zuvor trank ich einen Schluck Wein, den ich als sehr weich empfand. Er gehörte zu einem besseren Jahrgang. »Sie haben recht gehabt, Mrs. Miller.«
Aus dunklen Augen schaute sie mich an. »Womit bitte?« Sie saß mir gegenüber und hatte beide Beine eng zusammengelegt.
»Der Mondschein-Mörder lauert in der Nähe!«
Imelda erstarrte. Dann schluckte sie und holte tief Luft. »Wie kommen Sie darauf?«
»Er begegnete mir.«
Sehr langsam nickte sie. »Das heißt also, daß er mich unter Kontrolle hält.«
»So ungefähr.«
»Wo war es?«
»Nicht hier auf Ihrem Grund, also nicht in direkter Nähe des Hauses. Nahe einer Laterne entdeckte ich den Schatten. Es war ein Schatten und kein Mensch.«
Sehr langsam gab sie die Antwort. »Wie ich ihn beschrieben habe…«
»Richtig.« Ich erhob mich. »Darf ich die übrigen Räume der Wohnung auch sehen?«
»Selbstverständlich – kommen Sie.«
Sie führte mich herum. In die kleine Küche, in den Schlafraum, an den das Bad grenzte.
Es war eine Wucht
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