0618 - Der Mondschein-Mörder
für sich. »Ich habe es gesäubert, Mr. Sinclair. Ich wollte mein Blut nicht mehr sehen.«
»Und was ist mit Ihren Wunden?«
»Ich habe Glück gehabt, sie waren nicht tief. Womit hat er sie eigentlich angegriffen, Mr. Sinclair?«
»Mit einem glänzenden Messer, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Womit bitte?«
Ich erklärte es ihr, während ich mich im Bad umschaute und mir besonders genau die Spiegel ansah, sie sogar prüfte, indem ich mein Kreuz vor die Fläche hielt.
Es geschah nichts. Spiegel sind oft Tore in andere Welten, die hier waren normal, wenigstens noch.
»Was haben Sie da getan?«
Ich hob die Schultern, wobei ich lächelte. »Nur eine reine Vorsichtsmaßnahme, Mrs. Miller, mehr nicht.«
»Kann man Schatten bekämpfen?« fragte sie plötzlich.
Ich lachte auf. »Eine gute Frage. Im Prinzip nicht, aber ich muß es versuchen.«
»Wie?«
»Mit verschiedenen Dingen. Sehen Sie, ich habe ebensowenig einen normalen Beruf wie Sie. Da muß man hin und wieder auf gewisse Hilfsmittel zurückgreifen.«
»Die etwas mit Magie zu tun haben?«
»Exakt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Obwohl ich keinen Draht zur Magie habe, Mr. Sinclair, auch nicht als Astrologin.« Sie drehte sich um und verließ das Bad. »Wissen Sie, ich sehe meinen Beruf mehr als Wissenschaft. Es ist nicht einfach, die Astrologie zu begreifen, denn Sie müssen auch etwas von der Astronomie und der Astromathematik kennen, wenn Sie den Beruf ernsthaft ausüben wollen.«
»Das kann ich mir denken. Dennoch haben Sie gespürt, daß etwas in Ihrer Nähe lauert, was einfach nicht dort sein sollte, was da nichts zu suchen hatte.«
»Richtig, das Buch.«
»Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie es möglich war, daß Sie überhaupt etwas spüren konnten. Das ist normalerweise nicht so einfach, dazu muß man schon einen besonderen Draht haben, wie ich meine.«
»Ich bin sensitiv veranlagt und lege zudem Karten, wobei mich die des Tarot besonders interessieren.«
»Also doch.«
»Wie meinen Sie das?«
Wir standen inzwischen im Wohnraum. Ich wollte der Astrologin auch eine Erklärung geben, als ich die Tarotkarten sah, dazu kam ich nicht mehr, weil es klingelte.
Der weiche Gongschlag war in jedem Raum der Wohnung zu hören, und Madame Imelda schaute mich an. »Wer kann das sein?«
»Bestimmt nicht der Mörder. Erwarten Sie Besuch?«
»Nein.« Sie war völlig verunsichert und strich nervös über ihre Stirn.
»Dann fragen Sie nach.«
Neben der Sprechanlage blieb die Frau stehen. Ich wartete in ihrer Nähe, hörte die Antwort nicht richtig und wußte nur, daß eine Frau gesprochen hatte.
»Eliza – Sie?« Madame Imelda hörte zu, dann drückte sie auf.
»Wer kommt denn hoch?« fragte ich.
»Meine Sekretärin.«
»Die in Urlaub ist und in deren Postmappe Sie das Buch gefunden haben.«
»Genau.« Sie runzelte die wohl rasierten dunklen Augenbrauen.
»Meinen Sie denn, daß es etwas zu bedeuten hat?«
»Es kann.«
»Aber nicht bei Eliza. Sie arbeitet schon seit über drei Jahren für mich. Ich kann mich auf sie verlassen. Sie ist verschwiegen, auch meine Klienten haben zu ihr Vertrauen.«
»Wir werden sehen.«
Madame Imelda öffnete die Tür in dem Augenblick, als Eliza den Lift verließ. Im Flurlicht sah ich sie genau und hatte Mühe, ein anerkennendes Nicken nicht zu deutlich werden zu lassen.
Diese Eliza war eine sehr hübsche Frau. Das kräftige rote Haar paßte sich der Gesichtsform an. Eine schmale Nase, volle Lippen und eine etwas zu blasse Haut, wie sie viele Rothaarige haben. Auf Schminke oder Puder hatte sie verzichtet.
Noch im Flur nahm ihr Madame Imelda den Mantel ab. Unter ihm trug Eliza ein weißes Kleid mit einem runden, tiefen Ausschnitt, der den Ansatz ihrer Brüste freiließ.
Sie zeigte sieh von meinem Dasein etwas irritiert, doch Madame Imelda stellte mich rasch vor, ohne meinen Beruf zu verraten.
»Mr. Sinclair ist ein Bekannter, und das ist meine Sekretärin Eliza Farland.«
Ihr Händedruck war fest, was man von ihrem Blick nicht behaupten konnte. Ihn empfand ich als abschätzend und gleichzeitig auch ein wenig mißtrauisch.
Wir gingen in den Wohnraum, wo Eliza in einem Sessel ihren Platz einnahm und auf der Unterlippe nagte, als sie die Frage ihrer Chefin hörte.
»Sie waren nicht in Urlaub?«
»Doch – schon, aber der Schnee, nicht…?«
»Klar, den können Sie in den Alpen mit der Lupe suchen. Dann sind Sie früher zurückgekehrt.«
»Ja, es gefiel mir nicht auf den braungrünen
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