062 - John Flack
jener Richtung drehte. Endlich faßte der Haken, mit einem kleinen »Schnapp« drehte sich das Schloß, und Mr. Reeder stieß die Tür auf.
Er nahm die elektrische Taschenlampe aus der Hand der Polizisten und ließ den Lichtkegel durch die Vorhalle wandern. Nichts rührte sich. Er leuchtete nach der Treppe und lauschte mit gesenktem Kopf. Er vernahm keinen Laut und ging geräuschlos weiter in die Halle hinein.
Der Gang führte an dem Fuß der Treppe vorbei und endigte vor einer Tür, die wahrscheinlich zu den Zimmern der Hausangestellten führte. Zum Erstaunen des Schutzmanns war es diese Tür, die Mr. Reeder zuerst untersuchte. Er drehte den Türknopf, aber die Tür öffnete sich nicht; dann beugte er sich nieder und schielte durch das Schlüsselloch.
»Es war jemand - oben«, begann der Schutzmann mit achtungsvollem Zögern.
»Es war jemand oben«, wiederholte Mr. Reeder abwesend. »Sie hörten eine Diele knacken, glaube ich.«
Er ging langsam zum Fuß der Treppe zurück und blickte hinauf. Dann leuchtete er mit seiner Lampe den Fußboden der Vorhalle ab.
»Keine Sägespäne«, sagte er zu sich selbst, »das kann es also nicht sein.«
»Soll ich nach oben gehen, Sir?« fragte Dyer und hatte seinen Fuß schon auf der untersten Treppenstufe, als Mr. Reeder ihn mit einer Kraft, die man in einem so müde aussehenden Manne nicht vermutet hätte, zurückriß.
»Lieber nicht, mein Freund«, sagte er fest. »Wenn die Dame oben ist, muß sie unsere Stimmen gehört haben. Sie ist aber nicht oben.«
»Denken Sie, daß sie vielleicht in der Küche ist?« fragte der verdutzte Polizist.
Mr. Reeder schüttelte traurig den Kopf.
»Leider verbringen unsere modernen Frauen ihre Zeit nicht in der Küche!« sagte er und stieß einen ungeduldigen, glucksenden Laut aus; ob aus Protest, gegen das Seltenwerden der häuslichen Tugenden der heutigen Frauen, oder ob das ›tschk'd‹ einen anderen Grund hatte, war schwer zu sagen. Er war von seinen Gedanken völlig in Anspruch genommen.
»Das dachte ich«, sagte er, und seine Stimme klang erleichtert. »Da stehen zwei Spazierstöcke in dem Garderobenständer. Wollen Sie mir mal einen geben, Schutzmann?«
Der Beamte gehorchte verwundert und brachte Mr. Reeder einen langen Stock aus Kirschbaumholz mit gebogener Krücke, den dieser im Licht der Lampe untersuchte.
»Verstaubt und von dem früheren Bewohner zurückgelassen. Die Spitze an Stelle einer Zwinge beweist, daß er in der Schweiz gekauft wurde. Wahrscheinlich haben Sie kein Interesse für Detektivgeschichten und haben niemals über den Mann gelesen, dessen Methode ich hier nachmache?«
»Nein, Sir«, erwiderte Dyer, der nichts davon begriff.
Mr. Reeder untersuchte den Stock noch einmal.
»Es ist jammerschade, daß es keine Angelrute ist«, sagte er. »Bleiben Sie hier stehen und rühren Sie sich nicht.«
Dann kroch er langsam auf den Knien die Treppe hinauf und fuchtelte dabei mit seinem Stock in der lächerlichsten Art und Weise hin und her. Er hielt ihn mit ausgestrecktem Arm in die Höhe und schlug beim Hinaufkriechen gegen unsichtbare Hindernisse. Er kroch höher und höher, und sein Schattenbild zeichnete sich scharf gegen den Schein der Lampe in seinen Händen ab. Der Schutzmann Dyer sah ihm mit offenem Mund zu.
»Könnte ich denn nicht . . .«
Weiter kam er nicht. Eine ohrenbetäubende Explosion erfolgte. Die Luft war plötzlich mit Rauch- und Staubwolken angefüllt; er hörte das Krachen von Holz und spürte den beißenden Geruch von etwas Brennendem. Verwirrt und unfähig sich zu bewegen, starrte er Mr. Reeder an, der auf einer Stufe saß und kleine Holzsplitter von seinem Rock absuchte.
»Ich glaube, Sie können jetzt ohne jede Gefahr heraufkommen«, sagte Mr. Reeder sehr ruhig.
»Was . . . was war das?« stotterte der Schutzmann.
Der geschworene Feind aller Verbrecher staubte zärtlich seinen Hut ab, was aber Dyer nicht sehen konnte.
»Sie können heraufkommen.«
Mr. Dyer lief die Treppe hinauf und folgte dem anderen über den breiten Treppenflur, bis dieser stehenblieb und im Schein der Lampe einen merkwürdig aussehenden und allem Anschein nach selbstangefertigten Selbstschuß betrachtete, dessen Mündung so durch das Treppengeländer gerichtet war, daß sie auf die Treppe zielte, die er heraufgekommen war.
»Quer über die Stufen«, erklärte Mr. Reeder, »war ein schwarzer Faden gespannt, so daß jeder, der an den Faden rührte, den Selbstschuß zur Entladung bringen mußte.«
»Aber . . . aber .
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